Wohin mit den Emotionen bei der Arbeit?

Stress zu Hause, Haustier krank, Rad geklaut: Private Sorgen können uns bis an den Schreibtisch verfolgen. Auch der Job selbst kann frustrieren. Wie geht man mit negativen Emotionen bei der Arbeit um?

von Alexandra Gojowy

Viele Menschen wünschen sich einen lockeren, persönlichen Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten. Und klar, ein entspanntes Verhältnis entspannt natürlich auch die Stimmung bei der Zusammenarbeit und bei der Rhabarberschorle am Freitagnachmittag. Wer sich gut versteht, spricht auch mal über private Themen und wer bei der Weihnachtsfeier einen über den Durst trinkt, wird im neuen Jahr mit einem Schulterklopfer begrüßt. Soweit so harmonisch. Es gibt aber auch Tage, an denen gar nichts geht. Tage, an denen man unzufrieden und unproduktiv ist, sich unfair behandelt fühlt oder unfähig ist, kreative Ideen zu spinnen.

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Noch schwieriger ist es, wenn man von einem privaten Ereignis so aus der Bahn geworfen wird, dass man sich kaum konzentrieren kann. Das kann eine Trennung sein, ein krankes Familienmitglied, Streit mit Freunden, körperliche Beschwerden oder einfach die Wohnungssuche in Berlin. Was kann man tun, wenn einen Emotionen wie Ärger, Trauer oder Frust bis an den Schreibtisch begleiten? Wann darf man seine Gefühle am Arbeitsplatz zeigen und wann sollte man lieber zurückstecken?

*Wir stellen unterschiedliche Wege vor, wie man konstruktiv mit schwierigen Emotionen am Arbeitsplatz umgehen kann, ohne sie herunterzuschlucken. *

Verantwortung für die mentale Gesundheit übernehmen

Katastrophen passieren nicht selten vor acht Uhr früh. Und noch bevor man sich die Schuhe angezogen hat, steht das Privatleben Kopf. Ein Streit eskaliert, ein Kind wird krank, ein Brief informiert über die Mieterhöhung, das Auto springt nicht an und noch dazu haben einem die lauten Nachbarn den Schlaf geraubt. Es hilft alles nichts, Zähne zusammenbeißen, Mantel an und raus aus der Haustür. Sobald man dann im Büro angekommen ist, schlurft man niedergeschlagen zur Kaffeemaschine, lenkt sich mit Smalltalk ab und scrollt eine halbe Stunde lang durch den eigenen LinkedIn-Feed. Persönliche Emotionen beeinflussen an solchen Tagen nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit, sondern auch die Stimmung des Teams. Daran ist erstmal nichts Verkehrtes, außer man entscheidet sich bewusst für das Arbeitsleben als humanoider Roboter.

Trotzdem hilft ein persönlicher Check-In, um sich selbst zu fragen, ob man wirklich arbeitsfähig ist. Wenn man merkt, dass die Gedanken immer wieder abschweifen, unangenehme Erinnerungen von der Arbeit ablenken oder dass man alle fünf Minuten das Smartphone checkt, ist es wichtig, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Wie steht es wirklich um die eigenen mentalen und physischen Kapazitäten? Eine Antwort darauf kann man sich nur selbst geben. Vielleicht hilft es, sich einem Kollegen oder dem*der Vorgesetzten anzuvertrauen. Dabei muss man sich gar nicht in Details verlieren. Es reicht schon zu sagen, dass es einen privaten Vorfall gegeben hat, der es einem schwer macht, die Aufgaben des Tages gewissenhaft und zufriedenstellend auszuführen. Das kann sogar den Teamzusammenhalt stärken, denn Verletzlichkeit zu zeigen, ist schließlich auch ein Vertrauensbeweis.

Gefühle zu zeigen, ist also nicht unprofessionell. Ganz im Gegenteil. Wenn man sich selbst erlaubt, seine Emotionen wahrzunehmen, kann man angemessener auf sie reagieren, ohne dass sie sich auf die Arbeit selbst auswirken. Wenn im Privatleben eine besonders belastende Situation auftaucht, ist es oft besser, sich diesem inneren Prozessen für einige Zeit voll und ganz zu widmen. So kann man schneller wieder zur gewohnten Leistung zurückfinden und zeigt außerdem eins: Menschlichkeit.

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Herausforderung für den Arbeitgeber

Arbeitspsychologen raten immer wieder dazu, offen mit den eigenen Emotionen umzugehen. So vermeidet man Fehlinterpretationen und Missverständnisse und kann vor allem verhindern, dass man seine Wut oder Trauer an anderen Kollegen auslässt. Für Arbeitgeber können die persönlichen Emotionen der Mitarbeiter eine große Herausforderung darstellen. Auch wenn der*die Vorgesetzte nicht dafür verantwortlich ist, die privaten Probleme zu lösen, kann doch ein Raum geschaffen werden, in dem Gefühle offen kommuniziert werden dürfen. Tim Hagemann, Inhaber des Lehrstuhls Arbeitsorganisation an der Fachhochschule Bielefeld, sagt, dass „menschliches Handeln ohne Gefühle nicht möglich ist“. Dennoch erlebe er immer wieder, dass das Thema in der Arbeitswelt längst nicht so offen behandelt wird, wie es nötig wäre.

Prof. Dr. Jochen Menges, der an der Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf zum Thema Gruppenemotionen forscht, sieht das Problem schon in der Ausbildung. „Das Problem ist, dass wir Gefühle als Gegenspieler der Gedanken sehen, wir brauchen aber beides. Gefühle bleiben bei der Ausbildung oft auf der Strecke“, so der Wissenschaftler. Ebenfalls interessant: Menges konnte in einer großen Studie herausfinden, dass die Fähigkeit zur Emotionserkennung mit dem Jahreseinkommen korreliert. Um das zu beweisen, testeten die Wissenschaftler die Emotionserkennungsfähigkeiten der Arbeitnehmer, indem sie ihnen Bilder und Tonaufnahmen vorspielten und fragten, welche Emotionen sie darin erkennen würden. Zusätzlich befragten die Forscher die Kollegen und Vorgesetzten der Arbeitnehmer zur deren sozialen Kompetenzen. Das Ergebnis: Menschen mit guter Emotionserkennungsfähigkeit verhalten sich geschickter in sozialen Kontexten, werden als kooperativer, rücksichtsvoller und hilfreicher eingeschätzt, und erhielten ein höheres Gehalt.

Wie Unternehmen diese Erkenntnisse und auch die “Fähigkeit zum Fühlen” nutzen, liegt trotzdem in der Hand der einzelnen Führungskräfte. Michael Blochberg, Personalleiter des Continental-Konzerns hat in diesem Zusammenhang angemerkt, dass gute Führung nur dann gelinge, wenn Führungskräfte offen sind und es schaffen, dass Mitarbeiter sich in schwierigen Situationen trauen, ihre Gefühle zu zeigen. Der Psychologe Gerhard Blickle rät ebenfalls dazu, ehrlich zu sein, solange eine gewisse Distanz gewahrt wird – auch in Unternehmen mit flachen Hierarchien. “Zu sagen, ich habe mich von meinem Partner getrennt, sorgt sicher nicht für negative Reaktionen. Die Details auszubreiten ist dagegen nicht ratsam. Da werden die professionelle und die private Ebene vermischt, das kann das Gegenüber auch überfordern”, so Blickle. Wenn die Arbeit selbst zur Ursache für Frust oder negative Emotionen ist, können Details hingegen sehr wichtig sein, um schnell eine Lösung zu finden.

Mit Frust zur Leistungssteigerung

Wenn negative Gefühle durch die Arbeit selbst hervorgerufen werden, sollte man sich schnell fragen, was genau die innere Unzufriedenheit auslöst. Wenn einen die Arbeit frustriert, kann man diesen Frust sogar nutzen, um die Situation schnell zu verbessern.

Im Arbeitskontext ist eine gewisse Souveränität vonnöten, wenn man ein konkretes Problem besprechen möchte, genauso wie eine besonnene und doch freundliche Distanziertheit. Wenn es um die eigentliche Arbeit geht, ist es wichtig, dass man zu starke Emotionen regulieren und angemessen ausdrücken kann. Ein allzu heftiger Gefühlsausbruch kann das Verhältnis nachhaltig beeinflussen und auch das Schlichten zukünftiger Meinungsverschiedenheiten erschweren. Wie man es schaffen kann, die eigenen Emotionen im Ernstfall auch mal “nachzujustieren”? Psychologe Blickle gibt einen wichtigen Tipp: “Indem man die Emotion als eine Information betrachtet, neben der es aber noch andere Informationen gibt. Das schafft Abstand. Ein Gefühl wie Misstrauen ist zum Beispiel erst mal gut. Es sorgt dafür, dass ich zweimal hinschaue, wenn ich einem Kollegen gegenüber skeptisch bin. Aber dieses Gefühl des Misstrauens darf nicht zu groß werden. Wenn man es geprüft hat, muss es auch mal ein Ende haben”.

Für erfolgreiche Kommunikation der eigenen Bedürfnisse braucht es sowohl Emotionsregulation, als auch Empathie für das Gegenüber. Auch Kollegen und Vorgesetzte sind in eigene Gedanken und Geschichten verstrickt. Besonders, wenn ein lockeres Verhältnis zwischen allen Mitarbeitern besteht, ist es wichtig, darauf zu achten, die Grenzen der anderen nicht zu überschreiten. Wenn man sich unsicher ist, ob man seinen Kollegen gerade zu viel zumutet, hilft nur eines: offene Kommunikation.

Gefühle sind keine Störfaktoren

Wer Gefühle zeigt, wirkt nicht nur authentisch, sondern motiviert im Zweifelsfall sogar andere Kollegen, dasselbe zu tun. Trotzdem sollte man zwischen privaten und beruflichen Emotionen unterscheiden. Private Geschichten oder Schicksalsschläge können einen von der Arbeit ablenken und sogar arbeitsunfähig machen. In solchen Momenten müssen wir besonders achtsam mit den eigenen Gefühlen umgehen und zur Not auch mal die Stopptaste drücken oder die Arbeit unerledigt lassen, bis es uns emotional wieder besser geht. Das ist nicht nur für das eigene Wohlbefinden wichtig, sondern auch für die Arbeitsleistung und die Produktivität des ganzen Teams. Wenn einen hingegen der Job selbst frustriert, man wütend auf einen Kollegen ist oder sich nicht ausreichend gefördert fühlt, ist es hilfreich, erst einmal tief durchzuatmen. Eine Beförderung, mehr Vertrauen oder schelle Konfliktlösung erreicht man selten durch einen Wutausbruch. In solchen Momenten hilft Achtsamkeit gegenüber den eigenen Emotionen, auch mal einen Gang herunterzufahren und die Gefühle einfach nur wahrzunehmen, ohne sich zu sehr von ihnen mitreißen zu lassen.

Generell müssen Gefühle keine Störfaktoren sein, wenn man richtig mit ihnen umgeht und vor allem Verantwortung für sich und sein Innenleben übernimmt. So kann man nach und nach lernen, die eigenen Reaktionen besser zu steuern, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, und gemeinsam bessere Lösungen zu finden. Für eine positive Grundstimmung im Büro und auch beim Feierabendbier.

Die Podcastfolge zum Wochenimpuls:

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(Bildquelle: Mag Pole auf Unsplash)


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