Warum wir uns von Geschlechter-Stereotypen befreien sollten

Männer weinen nicht und Frauen sind die besseren Erzieherinnen. Ach echt? Wir gehen stereotypen Geschlechterrollen auf den Grund und zeigen, warum es lohnenswert ist mit ihnen zu brechen.

Von Luzie Seidel

Stereotype Geschlechterrollen: Zeit für Veränderung

Sie sind oft unsichtbar und subtil und gleichzeitig doch so präsent und Teil unseres Alltags: stereotype Geschlechterrollen. Sie zeigen sich in der Art und Weise wie wir sprechen oder uns kleiden und manifestieren sich in unserem Verhalten und unseren Denkweisen. Sie werden als Teil gesellschaftlicher Erwartungen an uns gestellt: Jungs spielen mit Autos und Actionfiguren und Mädchen mit Puppen. Wie erdrückend diese Geschlechterrollen sein können, fällt meist denen auf, die unter rigiden Vorstellungen leiden und nicht in genormte, enge Formen hineinpassen. Wie erdrückend sie für uns alle sind, ist vielen von uns gar nicht so richtig bewusst und fällt oft erst beim zweiten Hinschauen auf. Was genau macht stereotypische Rollenbilder aus? Warum es sich lohnt die eigenen Denkmuster zu hinterfragen und sie aufbrechen, um ein authentischeres Leben zu führen, wollen wir in einigen Gedanken mit dir teilen.

Was bedeutet “Stereotyp” eigentlich?

Das Wort Stereotyp geht sowohl auf das französische stéréotype zurück, was soviel wie “mit gegossenen feststehenden Typen gedruckt” bedeutet, als auch auf das griechische steréos, was sich mit starr oder fest übersetzen lässt (1). Der Ausdruck týpos geht ebenfalls aufs Griechische zurück und lässt sich mit Schlag, Eindruck, Muster oder auch Modell übersetzen (1). Die Wortherkunft gibt uns also schon einige Hinweise zur Bedeutung von Stereotypen: Feststehende Muster, starre Formen oder auch automatische Abläufe. Das klingt eher wie eine Betriebsanleitung für eine Maschine, also etwas, das nach Schema X gebaut wurde, um einen Funktionszwecks zu erfüllen. Menschsein hingegen ist organisch, wandelbar, imperfekt und im Prozess. Wie also hat sich das Stereotype in etwas so natürliches und wandelbares wie Geschlecht eingeschlichen?

Geschlechterrollen erlernen wir schon als Kind

Stereotype sind nicht einfach so da gewesen. Sie sind über Jahrhunderte weg und durch den Einfluss von Kulturen und deren Normen, Vorstellungen und Werten entstanden. Diese Geschlechtsstereotype beziehen sich zum Beispiel auf Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit und definieren Verhalten, Aussehen, Tätigkeitsbereiche, Körper, Schönheitsideale oder auch Sprechverhalten und Sexualität (2). Deswegen kann es super spannend sein, sich mit den eigenen Vorstellungen auseinander zu setzen. Welche Bilder kommen dir in den Kopf, wenn du folgendes liest:

  • Wie sieht ein Mann oder eine Frau aus?

  • Wie ziehen sich Frauen und Männer an?

  • Wie verbringen Männer und Frauen ihre Zeit?

  • Wie werden Frauen und Männer behandelt?

  • Welche Eigenschaften werden Männer und Frauen zugeschrieben?

  • Welche sexuelle Orientierung ist überhaupt okay oder normal?

Schon im frühsten Kindesalter erlernen wir geschlechtstypisches Verhalten durch unsere Bezugspersonen und Umwelt und erwerben Wissen darüber, was Jungs und Mädchen eben zu Jungs und Mädchen macht. Wir spielen mit geschlechtsspezifischen Spielzeugen, flechten uns die Haare oder spielen Fußball und gehen ins Ballett (2). Wir erlernen also im Laufe unseres Lebens, was es heißt Frau oder Mann zu sein und bewegen uns dann oftmals in diesem vorgefertigten, kleinen Raum. Dass außerhalb dieses Raums ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten und Selbstbestimmung, abseits von den exklusiven Polen Mann und Frau liegt, ist vielen von uns gar nicht richtig bewusst.

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Warum sollten wir diese Geschlechterrollen aufbrechen?

Wer sich in den sozialen Rollen, die er oder sie ausfüllt, wohl fühlt, ist bisher eventuell noch nicht in die Situation gekommen die eigene Geschlechterrolle zu hinterfragen. Uns als Individuum und Gesellschaft neu zu denken und die Grenzen dessen zu erweitern, was wir bisher als gesetzt angenommen haben, kann allerdings nicht nur die Perspektive erweitern, sondern auch mehr Freiheit schenken. Warum wir gemeinsam stereotype Rollenbilder aufbrechen wollen, möchten wir in folgenden Überlegungen mit dir teilen.

1. Wir stärken Gleichberechtigung und Inklusion

Traditionelle Geschlechterrollen und Normen tragen an uns alle Erwartungen heran. Diese Stereotype schränken unsere Möglichkeiten und Chancen aufgrund unseres Geschlechts ein. Indem wir diese Rollen aufbrechen - für uns und andere - können wir zu einer Gesellschaft beitragen, in der alle Menschen gleiche Rechte, individuelle Freiheit und Chancen genießen. Gleichzeitig können wir so eine inklusivere Gesellschaft, in der alle Menschen respektiert und akzeptiert werden, fördern.

2. Wir brechen mit dem Tabu mentale Gesundheit

Die Art und Weise wie wir in stereotypen Geschlechterrollen und deren Mustern leben, kann unsere psychische und körperliche Gesundheit stark beeinträchtigen. Die gesellschaftlichen Erwartungen an Körperbilder, Schönheitsstandards und traditionell weiblich und männlich markierten Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Performance auf der Arbeit, können zu Stress und psychischer Belastung führen. Schaffen wir es diese Rollen aufzubrechen, entstigmatisieren wir nicht nur das Thema um mentale Gesundheit, sondern ermöglichen auch eine nachhaltigere und gesündere Auseinandersetzung damit. Und das für alle Geschlechter.

3. Wir sprechen über Familienstrukturen

Stereotype Geschlechterrollen wirken sich auch auf Dynamiken innerhalb unserer Familien aus. Sie können dazu führen, dass bestimmte Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie aufgrund des Geschlechts zugewiesen werden, zum Beispiel, wenn es um Kindererziehung, Einkommenserwerb oder Haushalt geht. Reflektieren wir diese traditionelle Rollenverteilung, können wir eine offenere Kommunikation über Belastung und Arbeitsteilung innerhalb unserer Familien etablieren und darüber sprechen, wie sie sich auf die Erziehung und Partnerschaft auswirken.

Sind wir mutig den Kopf zu heben und zu schauen, was sich hinter den Grenzen unseres vertrauten Raums verbirgt, können wir vielleicht feststellen, dass dort eine Form von Freiheit, Authentizität und Selbstbestimmung auf uns wartet, die wir nie in Betracht gezogen haben. Wie wir einen Schritt in Richtung eines freieren und authentischeren Seins gehen und mehr nach unseren eigenen Vorstellung leben können, liest du in Teil zwei unseres Artikels.


Quellen

  1. Stereotyp. Wikipedia. Published May 6, 2023. Accessed July 5, 2023. https://de.wikipedia.org/wiki/Stereotyp

  2. Umgang, Wolter I. Aufwachsen Mit Geschlechtsstereotypen in Den Medien -Entstehung, Wirkung Wie Entstehen Geschlechtsstereo- Type Und Wie Wirken Sie Sich Aus?https://www.bzkj.de/resource/blob/155814/7dba51e3750a471732394005bc5f652a/20202-wie-entstehen-geschlechtsstereotype-und-wie-wirken-sie-sich-aus-data.pdf

  3. Hale ML, Holl E, Melzer A. Geschlechterbezogene Rollen und Stereotype und ihre Auswirkungen auf das Leben Jugendlicher und junger Erwachsener. Published online January 1, 2022:425-451. doi:https://doi.org/10.1007/978-3-658-35744-3_19


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