Digitaler Wandel: Brauchen Unternehmen ein neues Mindset?

Wer Technostress hat, geht nicht gesundheitsschonend mit Technologie um. Für Unternehmen ist jetzt die Herausforderung, mehr für die mentale Gesundheit zu tun.

Digitalisierung: Zeit für ein neues Mindset

Unternehmen stehen nicht erst seit der Pandemie vor großen Herausforderungen. Das virtuelle Arbeitsumfeld wandelt unsere Art der Zusammenarbeit und Kommunikation, so viel ist klar. Doch auch unsere Freizeitgestaltung, unser Feierabend verändert sich. Wenn wir bereits zehn Stunden vor dem Laptop verbracht haben, ist der Serienmarathon wenig erholsam. Der Kopf rauscht, die Augen sind müde, der Nacken ist verspannt. Symptome, die als direkte Auswirkungen von "Technostress" zusammengefasst werden.

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Was brauchen Unternehmen, um der digitalen Transformation zu begegnen? Wie können sie ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende gesund bleiben und arbeiten können? Eines ist klar, in der Verantwortung sind nicht mehr nur die ArbeitnehmerInnen sondern auch alle Unternehmen, die nachhaltig wachsen möchten.

Ist das Technostress oder schon neue Normalität?

Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales spricht für sich: 80% der ArbeitnehmerInnen haben in den letzten fünf Jahren eine Veränderung der technischen Ausstattung ihres Arbeitsplatzes erlebt. Für viele Menschen geht damit das Gefühl einher, sich ständig weiterentwickeln zu müssen. Außerdem nehmen rund 65% der Beschäftigten und Führungskräfte eine Intensivierung der Arbeit wahr. Ein Grund: Multitasking wird als normale Notwendigkeit angesehen, um die berufliche Nutzung von Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) zu bewältigen. Dieses Verhalten führt bei vielen Menschen zu Dauerstress, der von Arbeitgebern nicht genügend aufgefangen wird.

Technostress ist allerdings kein Problem des 21. Jahrhunderts. Der Psychologe Craig Brod hat ihn bereits 1984 als eine "moderne Krankheit" beschrieben, ausgelöst durch eine Unfähigkeit, sich an den Einsatz der IKT anzupassen und gesundheitsschonend mit ihr umzugehen. Übrigens wurde 1984 die erste E-Mail verschickt! Technostress kennen wir also schon, seitdem ersten mal, als die AOL Dame sagte "Sie haben Post".

Die größten Herausforderungen von Arbeitnehmern in einem digitalen Arbeitsumfeld sind:

Digitaler Stress: Auswirkungen

  • Emotionale Erschöpfung: Emotionaler Stress, der entsteht, wenn Gefühle keinen Raum haben oder die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit infrage gestellt wird.

  • Unsicherheit: Schnelle Veränderungsprozesse, die Stress auslösen. Der Druck, mithalten und sich ständig weiterentwickeln zu müssen, führt zu einer Unsicherheit gegenüber der eigenen Fähigkeiten.

  • Verringerte Aufmerksamkeitsspanne: Multitasking, das an der Konzentration zehrt. Wer häufig zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechselt, wie zum Beispiel dem Schreiben von E-Mails, Telefonaten und Mitarbeitergesprächen, schafft es nicht, über einen längeren Zeitraum fokussiert zu arbeiten.

  • Schlafprobleme: Ein ständiges Kommunikationsrauschen durch Push-Notifications, WhatsApp, Slack und E-Mails überreizt die Sinne. Entsprechend fällt es schwerer, am Abend abzuschalten. Außerdem verringert Display-Licht nachweislich die Produktion von Melatonin, dem wichtigsten Hormon für einen gesunden Schlaf-Wach-Zyklus.

  • Körperliche Beschwerden: Rücken- und Nackenschmerzen, die durch ungünstige Sitzhaltungen entstehen, gerade auch im Homeoffice, sowie insgesamt mangelnde Bewegung.

  • Fehlende Verbindung: Die Sehnsucht nach Verbindung und Kontakt, die durch digitale Kommunikationstechniken nur bedingt aufgefangen werden kann.

Die wenigsten glauben, dass es einen globalen Digital Detox geben wird. Zu weit fortgeschritten ist die digitale Transformation, zu verinnerlicht die Vorteile und Auswirkungen auf unser tägliches Leben. Was wir brauchen, ist keine Rückkehr zum Alten sondern vielmehr eine Ressource, die gesundes Arbeit im digitalen Raum ermöglicht. Was wir brauchen, ist eine Digitalisierung mit Gefühl!

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Digitale Transformation, once more with feeling!

Je virtueller wir arbeiten, desto wichtiger ist die emotionale Intelligenz. Laut Michael Bloch­ber­ger, Autor des Buches Emo­tio­nale Intel­li­genz in der Mit­ar­bei­ter­füh­rung, führen Empathie und Einfühlungsvermögen zu Ver­trauen und Sicher­heit, wäh­rend eine große professionelle Distanz klare Regeln signa­li­siert.

Fakt ist, dass digitale Empathie eine kalte Empathie ist. Emojis können zwar Emotionen, aber keine menschliche Beziehungsebene nachahmen. Die glatten Oberflächen unserer Laptops spenden keine Wärme und auch ein Videocall fühlt sich selten herzlich an.

Bis Computer uns eine psychische Umarmung schenken können, muss digitales Arbeiten auf anderen Wegen persönlich gestaltet werden. Dabei sollten Unternehmen auch den gesellschaftlichen Wandel und kulturelle Werte im Auge behalten. Dr. Fritzi Wiessmann sagt, dass sich der Wunsch nach Zeitsouveränität, einem partnerschaftlichen Rollenverständnis und einer individuellen Gestaltung von Lebensentwürfen auch auf das Arbeitshandeln auswirken.

So wie wir leben, möchten wir arbeiten. Dabei geht es weniger um die Work-Life-Balance, als um die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Wertewandel auch in der täglichen Arbeit umgesetzt zu sehen. Digitale Arbeitsumfelder, Home Office und remote work könnten einen positiven Effekt auf diese Wünsche haben und doch reicht häufig eine Verbesserung der Umstände allein nicht aus, um emotionalen Stress zu lindern.

Emotionalen (Techno-) Stress abbauen

Wenn die eigenen Gefühle im Joballtag auf der Strecke bleiben oder langfristig unterdrückt werden, kann das Stress oder psychische Erkrankungen auslösen. Teams und Führungskräfte sollten daher besonders acht geben, dass der persönliche Kontakt bestehen bleibt, auch wenn das Gespräch an der Kaffeemaschine in Zeiten von Remote-Work ausfällt.

Drei Wege, um im digitalen Alltag den persönlichen Kontakt nicht zu verlieren und Stress abzubauen:

  1. Regelmäßige Check-Ins: Check-Ins sollten ein fester Bestandteil der Arbeitsroutine sein. Dabei reichen 25 Minuten, die als fester Termin innerhalb der Arbeitszeit eingetragen werden. Verantwortlich für den Termin sind die Führungskräfte. Es gibt nur eine Regel: Arbeitsthemen sind tabu. Check-Ins funktionieren sowohl in Person, als auch digital. Dieser Austausch gilt der Frage:

    Wie geht es dir als Mensch?

  2. Achtsamkeit im Arbeitsalltag: Achtsamkeitstraining ist eine einfache und digitale Möglichkeit, Pausen und Entspannung in den Joballtag zu bringen. Das kann eine Team-Meditation vor der Mittagspause sein oder die ausdrückliche Erlaubnis, dass sich Mitarbeitende während des Arbeitstages jederzeit für wenige Minuten zurückziehen können. Diese Erlaubnis stärkt das Gefühl:

    Ich sorge für mich und meine Bedürfnisse.

  3. Mehrarbeit offen besprechen: Ein Mitarbeiter ist auch um 22:00 Uhr noch bei Slack online? Die E-Mail einer Kollegin landet lange nach Feierabend im Posteingang? Mehrarbeit wird oft stillschweigend hingenommen – und so heimlich honoriert. Wer als Führungskraft merkt, dass sein Team regelmäßig Überstunden schiebt, sollte das Gespräch suchen. Werden mehr Ressourcen gebraucht? Braucht es einen Workshop zum Thema Selbstorganisation? Kann eine Person nur schwer die eigenen Grenzen kommunizieren? Überstunden werden nicht nur eingefordert, sie entstehen auch durch Mitarbeitende, die sich (Leistungs-) Druck machen oder unsicher sind, wo die Prioritäten liegen. Ein klärendes Gespräch hilft dem Eindruck:

    Gesunde Grenzen zu setzen, ist okay.

Eines ist klar: Das neue Mindset für die Digitalisierung muss aus Teamwork und einer mitarbeiterorientierten Führung entstehen. Nur so kann virtuell ein gesundes Miteinander kultiviert werden, das nicht nur den Erfolg eines Unternehmens stützt sondern auch die mentale Gesundheit eines jeden Teammitglieds.

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Die Podcastfolge zum Artikel:

Bild: Priscilla Du Preez auf Unsplash

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