Stark gegen Stress: Wenn die Psyche Widerstand leistet

Eine ganze Industrie beschäftigt sich mit der Bekämpfung von Stress. Dabei beweist die Forschung längst, dass jeder bereits in wirksames Mittel zur Stressreduktion in sich trägt: die Resilienz.

Was macht stark gegen Stress, Burnout und Depressionen? Schon im Jahr 2013 interessierten sich so viele Menschen für die Antwort dieser Frage, dass sie Christina Bernds Buch “Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft” auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste katapultierten. Das Buch hat mittlerweile seine 14. Auflage erreicht und spiegelt das Bedürfnis einer erschöpften Gesellschaft, in der Produktivität und Stress nicht nur ein Massenphänomen, sondern auch zum Statussymbol geworden sind.

Schätzungen zufolge erkranken jedes Jahr bis zu 120 Millionen EU-Bürger an stressbedingten psychischen Störungen, das sind bis zu 30 Prozent der Bevölkerung. Laut des Deutschen Zentrums für Resilienzforschung (DRZ), sind es vor allem belastende Lebensumstände im beruflichen Kontext, die zur Entwicklung psychischer aber auch körperlicher Leiden beitragen. “Trotz großen Wohlstands, geringer körperlicher Belastungen und allerlei technischer Errungenschaften, die das Leben eigentlich leichter machen sollen, fühlen sich die Menschen ständig unter Druck. Hoch sind die Ansprüche an Schnelligkeit, Professionalität und Akkuratesse im Berufsalltag”, so die Autorin Christina Bernd in einem Interview mit der FAZ.

Dennoch stehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Anforderungen der modernen Arbeitswelt nicht ungeschützt gegenüber, verfügen sie doch über vielfache innere und äußere Ressourcen, die einen gesunden Umgang mit Stress und Belastungen ermöglichen. Die Fähigkeit, diese Ressourcen zu mobilisieren und aufrecht zu erhalten, wird als Resilienz beschrieben.

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Die Entdeckung der psychischen Widerstandsfähigkeit

Die amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner begann bereits in den 1950er Jahren damit, das Phänomen der Resilienz zu erforschen. Im Fokus ihrer Untersuchungen standen 698 Jungen und Mädchen der hawaiianischen Insel Kauai, die sie über vier Jahrzehnte lang beobachtete. Viele der Kinder wuchsen unter erschwerten Bedingungen auf, neben Armut und Drogenmissbrauch der Eltern war der Familienalltag nicht selten von Gewalt und Vernachlässigung geprägt. Dennoch kam die Langzeitstudie zu einem überraschenden Ergebnis: Trotz der schwierigen Startbedingungen wuchs ein Drittel der Kinder zu gesunden Erwachsenen heran, die im beruflichen sowie privaten Kontext gute Beziehungen führten und eine normale Leistungsfähigkeit aufwiesen. Wo lag der Unterschied zum Rest der Probanden? Werner fand heraus, dass die zufriedenen Erwachsenen bereits früh einen der wichtigsten Resilienzfaktoren an ihrer Seite hatten: Eine enge Bezugsperson oder wenigstens eine positive soziale Beziehung, die das Kind in seiner Entwicklungsphase unterstützte.

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2009 untersuchte 1400 Kinder, von denen mehr als zwei Drittel potenziell traumatische Ereignisse erlebt hatten. Trotzdem wies lediglich ein Bruchteil der Studienteilnehmer diagnostizierte Traumareaktionen auf. Die Forscher schlussfolgerten, dass bei den gesunden Probanden eine erhöhte seelische Widerstandskraft vorhanden sein musste, die durch verschiedene Lebensumstände ausgebildet wurde. Nach vielen Jahren der Forschung hat sich die Wissenschaft mittlerweile auf einige Grundsäulen der Resilienz geeinigt, die für eine normale Entwicklung dieser unsichtbaren Kraft unabdingbar scheinen.

Die Säulen der Resilienz

Wie oben beschrieben, wird Resilienz grob als eine Fähigkeit oder Kompetenz definiert, die einen Menschen dazu befähigt, Krisen zu überstehen. Wer eine hohe Resilienz aufweist, kann schwierigen Lebensphasen optimistischer begegnen, aber auch Stress, Niederlagen und Schicksalsschläge besser meistern. Resiliente Menschen glauben an ihre eigenen Fähigkeiten und handeln proaktiv, um ihr Leben nach ihren Wünschen zu gestalten.

Bei den Resilienzfaktoren handelt es sich um bestimmte Eigenschaften, die als Grundbausteine der seelischen Widerstandsfähigkeit eines Menschen betrachtet werden können:

1. Akzeptanz: Die Fähigkeit, eine gegebene Situation so anzunehmen, wie sie ist und Krisen als Teil des Lebens anzuerkennen.

2.Optimismus: Die Fähigkeit, eine positive Perspektive einzunehmen, die einen Konflikt als begrenzte Lebensphase betrachtet, die sich wieder zum Guten wenden wird. 3. Lösungsorientierung: Die Fähigkeit, Lösungen und alternative Wege zu finden, die dabei helfen, eine Krise zu bewältigen und im Nachhinein gestärkt aus ihr hervorzugehen.

4. Selbstwirksamkeit: Der Glaube an die eigene Gestaltungskraft und die eigenen Fähigkeiten, die dazu genutzt werden können, Probleme selbstständig in Angriff zu nehmen.

5.Eigenverantwortung: Die Fähigkeit, sich selbst nicht automatisch als Opfer der Umstände zu sehen und die Schuld nach Außen zu verlagern, sondern Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. **6.**Netzwerkorientierung: Die Fähigkeit, positive Beziehungen zu entwickeln und ein stabiles soziales Umfeld zu pflegen, das im Krisenfall Unterstützung und Hilfe bietet.

Wer die Resilienzfaktoren betrachtet, wird schnell feststellen, dass der Fokus weniger auf dem Problem als solches liegt, als auf den vorhandenen Ressourcen, die dafür genutzt werden können, es zu bewältigen. Somit steht die Resilienzforschung symbolisch für einen Perspektivwechsel in der Medizin, der bereits 1978 von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky und seinem Konzept der Salutogenese eingeläutet wurde. Im Gegensatz zu der Pathogenese, unter der vor allem Krankheitsfaktoren betrachtet werden, stellt man bei der Salutogenese das Gesunde in den Vordergrund. Im Bezug auf das Thema Stress geht es also nicht darum, den Stress als solchen zu analysieren, sondern den Fokus zurück auf die Selbstheilungs- und Widerstandskräfte eines jeden Menschen zu legen.

Der Schlüssel zur Resilienz

Was genau machen resiliente Menschen also anders als andere? Die Diplom Psychologin Astrid Jansen beschreibt die Selbstreflektion als einen der wichtigsten Schlüssel zu mehr Widerstandskraft. Wer sich selbst und die eigenen Ressourcen kennt, weiß auch, welche Fähigkeiten in stressigen Situationen zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund investieren immer mehr Unternehmen in Schulungen und Trainings, um die Resilienz ihrer Mitarbeiter zu erhöhen, Stress zu reduzieren und so auch die Produktivität innerhalb von Teams zu steigern.

Laut des Online Lexikons für Psychologie und Pädagogik sind resiliente Teams und Organisationen fähig, “die Realität zu akzeptieren und anzupacken, wobei das Wertesystem resilienter Organisationen dabei als Halt in schwierigen Situationen dient, sodass die Arbeitnehmer in der Lage sind, zu improvisieren und all ihre Ressourcen einzusetzen.” Genau hier greift auch einer der Hauptkritikpunkte am Resilienzkonzept. Kritiker befürchten, dass Arbeitgeber die Resilienzförderung ihrer Arbeitnehmer ausnutzen, um sie resistenter gegen belastende Arbeitsumstände zu machen. An dieser Stelle kommt die moderne Achtsamkeit ins Spiel, da sie direkt am Menschen ansetzt und die körperlichen und geistigen Bedürfnisse gleichermaßen anspricht.

Die Resilienz stärken

Achtsamkeitstraining hat sich als wirksame Methode für die Stärkung der Resilienz bewiesen und wird sowohl im betrieblichen Gesundheitsmanagement, als auch im Privatleben vieler Menschen immer populärer. Und das nicht ohne Grund, da Achtsamkeit sowohl die mentale Gesundheit stärken kann, als auch für die eigene Belastungsgrenze sensibilisiert.

Meditation ist ein einfacher Weg, die eigene Aufmerksamkeit immer wieder auf die eigenen Bedürfnisse zu lenken. So schafft man sich in Stresssituationen einen wertvollen Raum, in dem man sich der eigenen Ressourcen bewusst werden kann, noch ehe man von Gefühlen der Hilflosigkeit übermannt wird. Eine Studie der Carnegie Mellon University konnte nachweisen, dass regelmäßiges Training mit Mindfulness Apps schon nach kurzer Zeit einen erheblichen Effekt auf die körperliche Reaktion in Stresssituationen haben kann. In der Studie wurde vor allem untersucht, inwiefern sich Meditation auf die Akzeptanz einer gegeben Situation auswirkt. Die positiven Ergebnisse könnten ein Indikator dafür sein, dass mobile Achtsamkeitstrainings tatsächlich einen Beitrag zur Stressresilienz beitragen können.

Auch wenn viele Menschen bereits in der frühen Kindheit eine gewisse Widerstandsfähigkeit entwickelt haben, besonders dann, wenn sie liebevolle Unterstützung durch ihr Umfeld erfahren durften, kann diese Fähigkeit im Laufe des Lebens stetig weiterentwickelt werden. In einem Arbeitsumfeld, in dem die Anforderungen stetig zu wachsen scheinen, wird es in den kommenden Jahren immer wichtiger werden, sich seiner inneren und äußeren Kraftquellen bewusst zu werden und sich so vor Überlastung und chronischem Stress zu schützen. Dabei geht es nicht darum, vollkommen abgehärtet zu werden, sondern mit schwierigen Situationen besser umgehen zu können.


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