Vom Sinn und Unsinn der Welt

Achtsamkeit: Wundermittel oder esoterischer Humbug? Was es auch ist, über eines lässt sich nicht streiten: Den Wunsch des Menschen nach Sinnhaftigkeit.

Sind wir allein im Universum? Eine Frage, mindestens 7,5 Milliarden individuelle Antworten, abhängig von der Erziehung, des Glaubens, des Wertesystems, der ganz individuellen Persönlichkeit. Selbst Evolutionsbiologen zucken immer noch mit den Schultern. Nach wie vor wissen sie ziemlich wenig über den ersten Schritt des Lebens, so wie wir es kennen.

Das scheinbar zufällige Zusammenspiel aus Atomen, Molekülen und Enzymen ist tatsächlich so komplex, dass sich viele Menschen angesichts der Unwahrscheinlichkeit ihrer Existenz immer wieder die Frage nach dem Ursprung, oder auch dem Sinn des Lebens, stellen. Wie ist es möglich, dass das Leben überhaupt entstanden ist? Ist die Menschheit reiner Zufall, ein Wunder, ein spontaner Einfall, ein Geistesblitz des Universums? In einem Artikel der Welt heißt es, “Evolutionsbiologen glauben, dass es insgesamt etwa 5 bis 20 mehr oder weniger kritische (extrem unwahrscheinliche) Evolutionsschritte hin zum Menschen gibt.” Warum diese Entwicklung stattfand, wissen Forscher nicht. Sie wissen nur, das es extrem selten geschieht.

Über die großen Fragen wurde in unzähligen Büchern geschrieben, philosophiert, diskutiert und gestritten. Der Wunsch, sie zu beantworten, scheint tief im menschlichen Bewusstsein veranktert, auch wenn sich die Suche nach der Antwort in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat.

Glauben oder nicht glauben?

Seit Jahrzehnten ist das Interesse an Kirchen und Gemeinden rückläufig. Jüngste Skandale, wie die Missbrauchsvorfälle in der katholischen Kirche, tragen ebenfalls dazu bei, dass sich die Menschen von der jahrtausende alten Institution abwenden. Doch nur weil die Kirche zunehmends an Einfluss verliert, heißt dies nicht, dass unser gesellschaftliche Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit, nach dem Glauben an ein großes Ganzes, nach Halt und Orientierung verloren gegangen ist.

Das bestätigt auch der Religionssoziologe Detlef Pollack in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: “Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass das Interesse an Esoterik und an New Age oder an Zen-Meditation, also an nicht kirchlichen Formen der Religiosität, an Spiritualität und so weiter, relativ groß ist und durchaus nicht abgesunken ist, sondern eher sogar noch leicht angestiegen ist.”

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Die großen Fragen bleiben also. Vielleicht ist das der Grund, warum soziale Netzwerke, moderne Technik und Lifestyle-Trends heutzutage fast wie Ersatzreligionen behandelt werden, die zwar nicht unbedingt zu mehr Bewusstsein führen, für mach einen aber trotzdem den steinigen Weg des Alltags erhellen - zumindest für die Länge eines Instagram Feeds.

Ablenkung oder Abhilfe?

Besonders ein Thema hat sich in den letzten Jahren als Schauplatz vielfältiger Glaubensbekenntnisse etabliert: Die Ernährung. Heutzutage isst man nicht vegan, man IST Veganer. Sich zu einer bestimmten Diät oder Ernährungsform zu bekennen, ist mehr als nur eine Lifestyle-Entscheidung, es schafft Identität, es schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit.

Doch warum ist es gerade die Ernährungsweise, die so viele Menschen als eine Art Orientierungshilfe im Alltagsjungle nutzen? Ernährungspsychologen sind sich einig, dass Essen heutzutage als eine Form der einfachen Erlösung angesehen wird. Einfach deshalb, weil sie eine körpernahe Erlösung verspricht, mit der man sich Glück, Wohlbefinden und Gesundheit verschaffen kann. Dadurch entsteht das Gefühl, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Wer sich und sein Essverhalten kontrolliert, kontrolliert auch seinen Körper. Man muss also nicht mehr beten und hoffen, man macht selbst.

Auch wenn die Beschäftigung mit der eigenen Ernährung für lange Zeit Befriedigung bringen kann kann, wird sie langfristig keine Antworten auf den Sinn oder Unsinn des Lebens geben können. Denn immer noch sind 5 bis 20 extrem unwahrscheinliche Evolutionsschritte und millionen Jahre notwendig, um überhaupt mal da anzukommen, sich intellektuell mit dem Essen auseinandersetzen zu können. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum sich die Menschen von einem weiteren “Megatrend” angezogen fühlen: Der Achtsamkeit. Denn im Gegensatz zur Ernährungsweise, verspricht die Achtsamkeitsbewegung etwas, das der modernen Gesellschaft teilweise abhanden gekommen ist: Ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit sich selbst.

Hippies im Anzug

Die Achtsamkeitsbewegung scheint den Nerv der Zeit zu treffen, denn sie setzt an dem menschlichen Bedürfnis an, zu sich selbst zurückzukehren und innezuhalten. Dabei sind die Berührungspunkte vielfältig - während die einen aus gesundheitlichen oder beruflichen Gründen Achtsamkeit praktizieren, finden andere ihren Weg aus privatem oder gar spirituellen Interesse. Schaut man sich die zahlreichen Medienberichte der letzten Jahre an, so scheint es, als würde die Achtsamkeit eine Lösung für alle möglichen Probleme bieten - einer der Gründe, weshalb sie sowohl belächelt, als auch als esoterischer Humbug abgetan wird.

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Fakt ist: Egal, ob man Achtsamkeitsübungen als ein Werkzeug für mehr Gesundheit, bessere Beziehungen oder konzentriertes Arbeiten benutzt, im Kern geht es darum, sich in einer überfüllten, überreizten Welt wieder auf sich selbst zu besinnen. So steht es schon im Zukunftsreport 2016. Dort heißt es: “Natürlich hat Achtsamkeit etwas mit Spiritualität zu tun. (...) Aber es geht nicht um jene „magische Spiritualität“, wie sie heute in jedem esoterischen Billigladen feilgeboten wird. Achtsamkeit entwickelt sich in den Schnittmengen von Kognitionspsychologie, Systemwissen und Spiritualität. Anders als im klassischen Buddhismus ist das Ziel nicht die Auflösung des Ich. Sondern die Wiederentdeckung des Selbst”.

Und so kommt es, dass Achtsamkeit plötzlich salonfähig ist und sowohl auf dem heimischen Meditationskissen, als auch auf den Chefetagen von Großkonzernen praktiziert wird. Plötzlich schließen Chefinnen und Chefs in Anzügen ihre Augen, versinken für einige Momente in sich selbst. Was vor einigen Jahren vielleicht noch als weltfremd bezeichnet wurde, ist heutzutage eine Möglichkeit, sich wieder mit der Welt im Hier und Jetzt zu verbinden.

Auch wenn der Anblick meditierender Menschen am Arbeitsplatz, in der U-Bahn oder im Park noch ungewohnt scheint, gehen viele Menschen schnell in Resonanz mit dieser einfachen und doch so kraftvollen Praxis. Denn in ihrem Kern schafft sie einen Raum, den man wissenschaftlich nicht messen kann und den keine Studie so schnell validieren wird: Einen Raum, in dem man das Hier und jetzt erfahren kann. Ob wir alleine im Universum sind, lässt sich dadurch nicht klären. Dennoch können wir eine friedvolle Erfahrung des “Menschseins” machen und uns der kleinen Dinge gewahr werden, die diese Existenz ausmachen. Beenden möchten wir diesen Artikel deshalb mit den persönlichen Worten einer Nutzerin:

“Dass es nochmal Menschen so wie uns gibt, ist unwahrscheinlich. Wie abgefahren also, dass wir der Erde einen Besuch abstatten können. Dass wir Liebe kennen, morgens aufstehen, in unser Alien-Gesicht schauen, die Sonne scheint, wir einen morgendlichen Kaffee genießen können und, und, und. In Anbetracht dessen kann man sich fragen, ob wir mit Kriegen, Intrigen, Stress und alltäglichen Sorgen nicht schon viel zu weit gegangen sind und ob wir unsere Intelligenz übertreiben. Wir sollten einfach nur mal unsere unwahrscheinliche Existenz anschauen und dankbar dafür sein.”


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Bild: Ali Kanibelli auf Unsplash

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