Grübelst du noch oder fragst du schon?

Wir treffen ständig Annahmen und manchmal schmerzen sie. Lies hier, was deren Ursachen sind und wie dich aktives Nachfragen zur Entspannung führen kann.

Simon Müller

Vielleicht kennst du das: Eine Person, die dir wichtig ist und der du nahe stehst, macht etwas, wovon du stark enttäuscht bist. Vielleicht meldet sie sich nicht mehr, obwohl sie doch genau wissen sollte, wie sehr dich das frustriert und ärgert. Oder sie erzählt in letzter Zeit nur von sich, aber fragt gar nicht danach, wie es dir eigentlich geht. Obwohl du ihr doch schon gesagt hast, wie sehr dich das belastet. Es ist leicht, hier die Ursache deiner schlechten Stimmung beim Gegenüber zu suchen. In den eben beschriebenen Situationen triffst du Annahmen darüber, wie eine Person denkt und handelt. Geben diese Annahmen tatsächlich die Realität wieder? Erfahre in diesem Artikel, wie du Abstand zur Gedankenspirale leerer Annahmen gewinnen kannst.

Wir handeln mehr nach Annahmen, als nach Tatsachen.

Die Ursache der Frustration in den obigen Beispielen ist, dass du Annahmen triffst. Du bist überzeugt davon zu wissen, wer diese Person ist, wie sie reagiert und fühlt. Aber ist dem wirklich so? Selbst, wenn ihr jeden Tag miteinander verbringt und offen über alles redet – Das heißt immer noch nicht, dass du genau weißt, was im Inneren dieser Person vorgeht. Es gibt immer neue, vielleicht überraschende Dinge in einem Menschen zu entdecken. Denn wie auch du dich entwickelst, beeinflusst wirst und neue Facetten an dir entdeckst, ist auch dein Gegenüber im Wandel. Du magst vielleicht Expert*in darüber sein, wie sie sich bisher verhalten hat und was sie bisher zu dir gesagt hat. Aber weißt du auch ganz genau, wer die Person ist? Und vor allem: Weißt du deswegen, wie die Person momentan denkt, wie sie fühlt, und wie sie zukünftig handeln wird?

In einer Sendung vom US-Radiosender NPR wird die Geschichte eines gebürtigen Taiwaners erzählt, der vieles für seine Mutter tat, um sie glücklich zu machen. Unter anderem zog er in die USA, weil er dachte, dass seine Mutter das wollte. In all den Jahren hat er aber eines nicht gemacht: Sie gefragt, ob ihr das gefallen würde. Nach dem Tod seiner Mutter erfuhr er von ihrem Partner, dass die Zeit, in der ihr Sohn wegzog und bevor sie ihren neuen Partner kennenlernte, die schlimmsten Jahre ihres Lebens waren.

Das ist ein extremes Beispiel dafür, wie wir aufgrund unserer Annahmen handeln. Wie wir glauben zu wissen, was andere denken und verletzen dabei uns oder andere. Ganz unabhängig davon, ob wir aus guten oder bösen Absichten handeln.

Mit Meditation deine Selbstreflexion stärken:

7Mind kostenlos starten

Wir denken zu oft, dass wir mit unseren Annahmen richtig liegen.

Wie Dunning und Kruger in ihrer Forschung Unskilled and Unaware of it herausgefunden haben: Menschen tendieren dazu, sich und ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Vor allem in Gebieten, bei denen sie besonders wenig Expertise vorweisen können. So neigen Menschen auch dazu, sich in ihren Annahmen zu überschätzen und ihnen zu vertrauen. In diesem Fall blenden wir unsere Unfähigkeit gerne aus und kaschieren sie mit einem erhöhten, fast naiven Selbstbewusstsein. Das führt dazu, dass wir die Aussagekraft unserer Annahmen überschätzen.

Der Wissenschaftler Nicholas Pley hat viel über das Phänomen der eigenen Wahrnehmung geforscht. Was er in seinen Forschungen dabei herausfand: Wir nehmen an, dass wir wissen, was andere Leute denken. Je weniger wir von einem Menschen wissen, desto eher glauben wir, die Person einschätzen zu können. Er hat auch den Zusammenhang zwischen "Wie falsch liegt meine Annahme?" und "Wie gut kenne ich die Person?" betrachtet. Wir überschätzen unsere Annahmen vor allem, wenn wir glauben eine Person besonders wenig zu kennen. Interessanterweise liegen unsere Annahmen gemäß der Studie ebenso weit daneben, wenn wir glauben einen Menschen sehr gut zu kennen. Wenn wir der Meinung sind, eine Person eher mittelmäßig zu kennen, sind wir vergleichsweise am besten darin, eine Person einzuschätzen. Beispielsweise bilden wir direkt eine Annahme, sobald wir eine Person zum ersten Mal sehen. Trägt sie einen Anzug? Vermutlich eine Person, die viel Geld verdient. Ganz egal ob es in Wahrheit eine unbezahlte Praktikantin in einer Beratungs-Agentur ist. Gleichzeitig tendieren wir bei unserer langjährigen Partnerin dazu, uns auf unsere Annahmen zu verlassen, weil wir glauben, die Person in- und auswendig zu kennen. Das Potenzial für Missverständnisse ist hierbei höher, im Vergleich zu Menschen, die uns nicht so nahe stehen. Denn wir stellen mehr und tiefergehende Erwartungen an Personen, die wir schon gut kennen. Die Person wisse doch, was mir wichtig ist! Umso größer ist dann die Enttäuschung und der Schmerz, wenn die für uns so wichtige Person nicht nach unseren Annahmen handelt.

Was du tun kannst, um dich selbst von falschen Annahmen zu befreien

Wie du falsche Annahmen vermeidest? Frage nach. Es klingt sehr simpel und sobald man es tut, ist es einfach: Frag die Person, was sie denkt. Wenn du mit einer Person gerade im Gespräch bist, dann wird es dir wohl leicht fallen nachzufragen, um so deine Annahmen zu prüfen. Bist du aber gerade im Konflikt mit einer Person oder hast den Eindruck, dass du sie damit nerven würdest, fällt das Fragen nicht mehr so leicht.

Fühl dich nicht schlecht, wenn du in solchen Situationen erstmal keine Energie hast, um nachzufragen. Es kostet viel Kraft und Selbstoffenbarung, um in diesen Momenten eine Frage zu stellen. Und das ist vollkommen okay.

Wenn dir dieser Widerstand bewusst wird, kannst du für dich entscheiden: Habe ich gerade genug Kraft, um trotzdem direkt nachzufragen? Oder muss ich erstmal genügend Kraft für mich sammeln, um dann auf die Person zuzugehen? Diese Kraft kannst du dir holen, wenn du etwas Abstand zur Thematik gewinnst. Diesen Abstand kannst du dir beispielsweise mit einer Meditation holen. Vielleicht realisierst du dabei auch, dass das Gespräch gar nicht so schlimm sein muss wie zunächst gedacht? Dass du vielleicht gar nicht so viel Kraft dafür brauchst?

Du kannst dir beispielsweise in einer hitzigen Diskussion per folgender Zwischenfrage selbst helfen, zu dieser Realisation zu kommen: "Ich habe gehört, dass du X gesagt hast und interpretiere das als Y. Stimmt das?" Das kann die hitzige Diskussion etwas runter kühlen und dein Gegenüber bekommt das Gefühl, dass du achtsam zuhörst. Oft passiert es, dass man selbst nicht auf das Gesagte des Gegenübers eingeht und somit aneinander vorbei redet. Mit dieser Methode kannst du dich also deinem Gesprächspartnern annähern und gemeinsam deine Annahmen besprechen.

Bin ich gerade nicht im Gespräch, hilft es mir eine Single-Meditation der 7Mind App wie "Angst", "Frust" oder "Wut" zu hören. Das befreit meinen Kopf. Mit einem klareren Kopf kann ich die Situation nun neu interpretieren. Anstatt mich auf das Problem zu konzentrieren, habe ich nun den Weitblick, um mir meine Ängste klar zu machen.

Vielleicht mache ich mir Sorgen darüber, dass die Beziehung in die Brüche gehen könnte. Oder ich habe Angst davor, mich zu blamieren. Sobald ich diese Ängste greifen kann, sehe ich meine dahinter liegenden Bedürfnisse viel klarer. Dass es mir beispielsweise darum geht, von der Person geliebt zu werden.

Mit diesen Erkenntnissen ausgestattet, verliert das bevorstehende Gespräch für mich an Schwere. Das hilft mir dann auch, das Gespräch zu suchen. Metaphorisch gesprochen ziehen die Wolken wie nach einem Gewitter davon und die Sonne kommt heraus. Alles wird klar und ich kann mich wieder auf die schönen Dinge konzentrieren. Beispielsweise darauf, wie befreiend es sich anfühlen wird, das Gespräch hinter mich gebracht zu haben. Und wie entspannend es sein wird, nun nicht mehr mit Annahmen zu leben, sondern zu wissen, was die Person tatsächlich darüber denkt.

Vielleicht helfen dir ja auch diese Methoden, um Abstand von deinen Annahmen und Nähe zu deinen Mitmenschen zu gewinnen. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei, dir deine eigenen Annahmen bewusst zu machen und sie durch Fragen in Tatsachen umzuwandeln. Falls dir dieser Prozess bisher noch schwer fällt, kann dir vielleicht unser "Grübeln" Kurs in der 7Mind App weiterhelfen.

Mit Meditation deine Selbstreflexion stärken:

7Mind kostenlos starten

Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:

Bild: Ariel Paredes auf Pexels Bild: Burst auf Pexels

Achtsamkeitsimpuls

Erhalte unsere neuesten Artikel, Achtsamkeitsimpulse und Angebote in unserem monatlichen Newsletter!

*Pflichtfelder

7Mind wirkt positiv. Erfahre mehr.