Bleiben wir bei mir? Über den Megatrend “Social Cocooning”

Das Zukunftsinstitut nennt es einen Megatrend: das Social Cocooning. Unsere eigenen 4 Wände werden zum Place-to-be. Was macht das mit einer Gesellschaft?

Daniela Obers

Megatrend Social Cocooning

"Es gibt keinen Ort wie zu Hause"

Ein heftiger Wirbelsturm hatte Dorothy ins Land vom Zauberer von Oz befördert. Nach beschwerlichem Weg und Kampf gegen die böse Hexe will Dorothy nur noch eines: Nach Hause. Sie schlägt die Hacken ihrer roten Schuhe aneinander und sagt dreimal "Es gibt keinen Ort wie zu Hause". Und schon ist sie wieder Zuhause in Kansas. Wer Dorothy auf ihrer verrückten Reise hinter der TV Mattscheibe gefolgt war, konnte es nur zu gut nachempfinden. Ab nach Hause, wo es sicher, gemütlich und vertraut war.

Ein Gefühl, das Social-Cocooning Anhänger nur zu gern zelebrieren. Nun, 82 Jahre nach der Verfilmung vom “Zauberer von Oz” ist es genau diese Sehnsucht nach der vertrauten Heimeligkeit, die als Megatrend beschrieben wird: Das Social Cocooning. Cocooning kann als Einmummen in der heimischen Gemütlichkeit verstanden werden. Das Zukunftsinstitut beschreibt den Trend als “ein auf Kontakt basierendes Zusammentreffen von Menschen in entspannender Wohnzimmeratmosphäre(...).” Beim Cocooning strebt man nach einer Wir-Kultur in einer immer individualistischeren Welt. Es drückt den Wunsch nach Verbindung und Kommunikation aus – gebettet in eine Privatheit und Sicherheit. Social Cocooning ist der Kochabend anstatt dem Treffen im Restaurant. Es ist der Spieleabend im vertrauten Kreis. Es ist Lagerfeuerromantik im eigenen Wohnzimmer.

Wir mummelten uns schon vor der Pandemie gern ein

Anders als mancher vielleicht vermuten mag, ist das Social Cocooning kein Ergebnis monatelangen sozialen Rückzugs aufgrund von Corona. Der Trend begann schon 2016, als zwei der Aspekte des Social Cocoonings mehr und mehr in aller Munde waren: Hygge und Jomo.

Hygge, aus Norwegen stammend, beschreibt eben jene Gemütlichkeit und das Gefühl von Wohlbefinden. Sich hyggelig einzurichten – dieser Trend schwappte schon vor einigen Jahren auch in deutsche Wohnzimmer und ist ein wichtiger Aspekt beim Social Cocooning.

Jomo ist die Abkürzung für “the joy of missing out” und beschreibt die Freude des Verpassens. Löst Jomo nun endlich also Fomo ab? Der Gegensatz dazu, Fomo (“fear of missing out”) meint die Angst, etwas zu verpassen. Jomo beschreibt den bewussten Entschluss, ein Event zu verpassen um die Zeit beschaulich Zuhause zu verbringen.

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Das Zukunftsinstitut erkennt die Wurzeln des Cocoonings sogar noch an einer früheren Stelle: "„Cocooning“ war einer der wichtigsten sozialen Trends der 1990er-Jahre. Er repräsentierte ein regressives, isolierendes Verhalten als Reaktion auf eine hyperindividualistische Gesellschaft – in einer Zeit, die im Gedächtnis bleiben wird für ihren Wirtschaftsboom, den Aufstieg der Yuppies und den Beginn des Promi-Kultes.” Insbesondere in Zeiten des Wandels und Aufbruchs scheint es nicht weiter verwunderlich, dass man sich die eigene Sicherheit schaffen möchte, beispielsweise im heimeligen Zuhause.

Auch wenn das Phänomen des Social Cocoonings schon vor der Pandemie da war, so hat sie es doch sicher unterstützt. Wie wir auch im Podcastinterview mit der Aufräumerin Vera Jansen-Cornette hören konnten, machte man es sich (gezwungenermaßen) Zuhause schön und gemütlich. Soziale Kontakte waren trotz dessen rar oder wurden in Verbindung mit jeder Menge Screen-Time “genossen”. So langsam werden analoge Kontakte wieder normaler. Und doch weiß man sie auf eine andere Weise zu schätzen. Anstatt sich nun in die nächste Menschenmenge vor einer Konzertbühne zu stürzen, zelebriert man beim Social Cocooning den direkten Kontakt mit wenigeren Menschen in heimeliger Atmosphäre.

Müssen wir nun alle wieder Zuhause bleiben?

Geht unsere Gesellschaft gerade durch eine große Veränderung? Wird es bald nur noch gestreamte Konzerte geben, weil sie eh jeder in beschaulicher Runde lieber auf dem heimischen Sofa anschauen möchte?

Wohl kaum. Ja, unsere Gesellschaft verändert sich. Aber das tut sie ständig. Wem der gemeinsame Kochabend besser als die durchtanzte Nacht im Club gefällt, der kann genussvoll dem Jomo frönen. Das konnte er oder sie allerdings auch schon, bevor sich irgendwer dieses Akronym ausgedacht hat. Genauso wie man mit oder ohne Fomo tanzen gehen kann. Das wichtige ist jedoch, dass wir das, was wir tun, wirklich auch tun wollen. Der Trend zum Social Cocooning macht die Entscheidung für den Kochabend gesellschaftlich anerkannter und so für manchen auch leichter.

Während Dorothy schon 1939 Zuhause zu ihrem liebsten Ort erwählte, hyggeln wir wohl gerade erst so richtig los. Vielleicht sollte ich mir langsam mal sechs zueinander passende Abendessenteller zulegen? Und Weingläser. Und Monopoly. Sicher ist sicher.

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Die Podcastfolge zum Artikel:

Bild: Sarandy Westfall auf Unsplash

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