Warum Traditionen dich stärker machen

Wir sind so sehr auf Individualität aus, dass kollektive Werte und Traditionen in den Hintergrund rücken. Dabei prägen sie uns genauso wie mutige Einzelentscheidungen und verrückte Reisegeschichten.

von Franziska Block

In einer Zeit, in der selbst in fernen chinesischen Nationalparks KFCs und McDonalds die hungrigen Mäuler stopfen, Halloween in den USA, Deutschland und auch Simbabwe gefeiert und Yoga überall auf der Welt praktiziert wird, scheint Individualität das neue Nonplusultra zu sein. Grenzen verschwimmen, Kulturen vermengen sich, Großstädte explodieren und dazwischen sind wir, als Individuen, und fühlen uns ganz schön klein. Die Angst, unterzugehen, nicht bemerkt zu werden oder einfach nicht besonders zu sein, ist in Zeiten medialer Selbstdarstellung und konstanter Reizüberflutung stark. Wir wollen rausstechen, anders sein und eine ganz besondere Geschichte schreiben. Vergessen sind Traditionen wie die Fasenacht, Fegen zum 30. Geburtstag oder auch alte Rezepte wie Oma’s falscher Hase.

Individualisierte Kaffeetassen, personifizierte Sneaker direkt aus dem Online-Store und selbst-designte Tattoos verpacken den stummen Schrei nach Aufmerksamkeit und Einzigartigkeit. Aus dem Wir-Gefühl, das für unsere Großeltern noch ganz normal war, ist eine Ich-Perspektive geworden, die wir auf alles projizieren. In der modernen Gesellschaft definieren wir uns schließlich nicht durch kollektive Zugehörigkeit, sondern in Abgrenzung zu anderen.

Dabei können Traditionen helfen, sich trotz all der kulturellen Anpassungen und gleichzeitigem Streben nach Anderssein sich seiner Wurzeln und Stärken zu erinnern.

#Das Problem der Freiheit Haben früher noch Traditionen bestimmt, wer wir sind und was wir tun, so kann der moderne Mensch aus einer unendlichen Auswahl an Optionen schöpfen und die verschiedensten Wege einschlagen. Freiheit, Emanzipation, Chancengleichheit und unbegrenzte Möglichkeiten prägen unser modernes westliches Gesellschaftsbild. Grundsätzlich ist das eine ganz wunderbare Entwicklung, die ich im Prinzip auch gar nicht kritisieren möchte.

Das Problem an der Geschichte ist, dass in all der Einzigartigkeit und Vielfältigkeit unsere Orientierung verloren gegangen ist. Wenn jeder alternativ, kreativ und komplett anders ist, wie kann man sich da überhaupt noch zurecht finden? Wie findet man Halt, wenn sich alles konstant verändert und auf seine ganz eigene Weise speziell ist und globale Prozesse gleichzeitig für eine kommerzielle Gleichschaltung sorgen? Woher weiß ich überhaupt noch, wer ich bin, was mich ausmacht und was ich will?

#Traditionen als Wegweiser sehen Es gibt viele Wege, das Herauszufinden. Du kannst reisen, in eine neue Stadt ziehen, einen anderen Job probieren, deine Haare blau färben oder einen Goldfisch kaufen. Manchmal muss man aber auch gar nichts verändern, sondern findet die Antwort tief in sich selbst, oder besser gesagt: in den eigenen Wurzeln.

Was siehst du, wenn du auf deine Kindheit und Jugend zurückblickst?

#Abendbrotzeit im Freien Ich persönlich sehe mich und meinen Bruder, mit Butterbroten in der Hand auf der Straße spielend. Das war damals im Sommer der allergrößte Schrei für uns. Abendbrot to go und noch ein wenig länger draußen spielen dürfen. Das durfte sonst keiner, aber wir, wir durften das. Und wenn der Winter kam und wir in unseren Zimmern mit Lego spielten, bis wir zum Abendbrot in die Küche mussten, haben wir uns schon wieder auf den Sommer gefreut und uns ausgemalt, wie schön das wieder werden wird.

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Heute ist das nicht anders. Wenn ich auf Reisen bin, esse ich nach wie vor am liebsten draußen, in der Natur. Es gibt nichts schöneres für mich, als nach einer fünfstündigen Wanderung meinen Rucksack abzusetzen, mich ins Gras fallen zu lassen und ein Picknick unter freiem Himmel zu genießen. Und das nicht, weil das ein besonders cooles Instagram-Bild ergibt und zeigt, wie edgy und alternativ ich bin, sondern einfach nur, weil ich das immer schon gemacht und geliebt habe.

#Verwünschte Rauhnächte Unser Teammitglied Sarah hingegen blickt auf zahlreiche Rauhnächte zurück, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder verbracht und jedes Jahr nach Weihnachten zelebriert hat. Für diese besonderen 12 Nächte haben Sarah und ihre Liebsten insgesamt 13 Wünsche für das nächste Jahr aufgeschrieben, die in den folgenden Nächten einer nach dem anderen aus einem Lostopf gezogen und verbrannt wurden, bis ein einziger Wunsch pro Person übrig blieb. Dieser ganz persönliche Wunsch wurde dann von Jedem mit ins neue Jahr genommen und diente als kleine Motivation und Ziel für das nächste Jahr.

Und weil diese Tradition die kommenden Jahre so positiv beeinflusst hat, wird das in Sarah’s Familie nach wie vor genau so gemacht, jedes Jahr. Aus “ich möchte einen wunderschönes Puppenhaus” sind zwar etwas andere Wünsche geworden wie “ich möchte mein Studium beenden” oder “ich möchte mit meinem Partner zusammen ziehen” - doch die Tradition bleibt.

#Weihnachtliche Geschenkeglocken Unser Co-Founder Manuel erinnert sich mit breitem Grinsen daran, wie er zur Weihnachtszeit in seinem Zimmer warten musste, während im Wohnzimmer die Geschenke verteilt wurden. Erst, wenn die Glocke klingelte, durfte er aus seinem Zimmer kommen und sich über die bunten Päckchen unter dem Weihnachtsbaum hermachen. Tja, vielleicht hat er deswegen immer so viel Spaß daran, bei uns im 7Mind Büro mit der Klangschale die Gruppen-Meditation zur Mittagspause anzukündigen?

Egal, ob zu Weihnachten, an Ostern, zur Zeugnisvergabe oder zu ganz eigenen Zeitpunkten: Bestimmt gibt es auch in deiner Erinnerung diese kleinen Rituale, die sich so in deinem Herzen verwurzelt haben, dass sie dich bis ins Erwachsenenalter begleiten. Traditionen prägen uns in so vielen verschiedenen Weisen. Sie verbinden uns mit unserer Familie, Freunden, Bekannten und wem auch sonst wir diese kleinen Bräuche teilen oder geteilt haben. Sie beeinflussen unser Verhalten in den unterschiedlichsten Situationen und werden damit Teil von uns.

Wenn du dich das nächste Mal verlierst und nicht so recht weißt, wo du stehst, wohin du willst und was dich ausmacht, dann schau nicht nach außen, sondern schau in dich selbst. Sieh dir deine Wurzeln an, nicht nur in deiner Kindheit, sondern auch in der deiner Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten. Du wirst erstaunt sein, welche Geschichten sie dir erzählen können und in welche Welten sie dich entführen werden. Denn wer wir heute sind, mitten im Leben stehend, ist das Ergebnis eines langen Weges der persönlichen Entwicklung. Vom Baby zum Kleinkind, vom Kind zum Jugendlichen bis zum Erwachsenen.

Auf diesem Weg wurden wir von so vielen Menschen begleitet und geprägt, egal ob Oma, Opa, Mama, Papa, Cousins, Cousinen usw. All diese Menschen sind ein Teil von dir und deiner Geschichte und damit auch von deiner Gegenwart und Zukunft. Sei stolz auf deine Wurzeln und Traditionen und lerne, in ihnen die Kraft zu entdecken, die dich auf deinem bisherigen Weg angetrieben hat.

Falls du Lust hast, das Thema Traditionen in deiner Meditationpraxis auszuprobieren, geht das übrigens auch. In unserem Kurs “Dankbarkeit” widmen wir die zweite Meditation ganz dem Thema “Würdige deine Wurzeln”.

Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:


Bild: Annie Spratt auf Unsplash

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