Wie Selbstführung in der neuen Arbeitswelt gelingt – Teil 1

Wenn das Äußere im Umbruch ist, ist innere Stabilität gefragt. Lies hier, wie du als Führungskraft durch eine achtsame Selbstführung mit gutem Vorbild vorangehst!

Katharina Anna Klumpp

Alles anders in der neuen Arbeitswelt?

“New Was?” “New Work.” “Ah, ok. Das ist genau was?” Eine Konversation, die ich schon mehr als einmal geführt habe.

New Work beschreibt die Transformation der Arbeitswelt. Die Globalisierung, der technologische Fortschritt und die damit einhergehende Digitalisierung verändern die Art und Weise des Arbeitens von Grund auf. Zudem fordern die Erwartungen und Bedürfnisse der 20- bis 40-jährigen, die sogenannte Generation Y,  neue Formen der Zusammenarbeit. Wie sich der Wandel auswirkt:

  • Zu erledigende Aufgaben werden anspruchsvoller und erfordern zunehmend mehr Kreativität und Innovation, da einfache Aufgaben standardisiert und schließlich automatisiert werden.

  • Märkte und deren Bedürfnisse verändern sich deutlich schneller, so dassagile Arbeitsmethoden gefragt sind, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können.

  • Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben mit einer flexiblen, zeit- und ortsunabhängigen Arbeitsgestaltung wird gefordert.

  • Es wird auf eine hierarchieübergreifende Zusammenarbeit gesetzt und Mitarbeitende werden in Entscheidungen, die die Organisation und sie selbst betreffen, eingebunden. Selbstverwirklichung und Potentialentfaltung werden so zu Merkmalen von New Work.

Ein Patentrezept für das Konzept New Work gibt es nicht. Vielmehr ist die Gestaltung von individuellen Lösungen, ausgerichtet an den Bedürfnissen der Organisation und ihren Mitarbeitenden, von Vorteil. Führungskräften kommt in diesem Zuge eine bedeutende Rolle zu, weil sie als Multiplikator in der Organisation eine Vorbildfunktion innehaben.

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Führungskräfte werden zu Führungspersönlichkeiten

Wie gestaltet sich die Rolle von Führungskräften in der neuen Arbeitswelt? Hat die Führungskraft früher eine autoritäre Rolle eingenommen, Entscheidungen getroffen und Aufgaben delegiert, gestaltet sie heute vielmehr ein Netzwerk, in dem Mitarbeitende selbstbestimmt entscheiden und handeln können. Die Führungskraft nimmt dabei eine coachende, begleitende Rolle ein. Wie kann das aussehen?

  • Führungskräfte fokussieren sich auf die Stärken der Mitarbeitenden (und nicht auf die Schwächen).

  • Führungskräfte unterstützen ihre Mitarbeitenden darin, eigenständig Lösungen zu erarbeiten, indem sie gezielte Fragen stellen. Damit ist die Führungskraft nicht mehr die allwissende Person im Team, die jede Antwort parat haben muss.

  • Führungskräfte vertrauen ihren Mitarbeitenden, anstatt ihre Ergebnisse zu kontrollieren.

  • Führungskräfte nehmen sich zurück und lassen ihr Team glänzen.

  • Führungskräfte kommunizieren auf Augenhöhe, anstatt Ansagen von oben zu machen.

Die Fähigkeit, Menschen einfühlsam zu führen und auf die individuellen Herausforderungen eines jeden Einzelnen im Team eingehen zu können, rückt in den Fokus. Standard wird durch Individualität abgelöst und die Persönlichkeit einer Führungskraft gewinnt so an Bedeutung. Wie kannst du dich zu einer echten Führungspersönlichkeit entwickeln?

Die Persönlichkeit einer Führungskraft setzt bei einer starken Selbstführungskompetenz an. Dazu zählt:

  • dieVerantwortung für die eigenen Gefühle, Gedanken und Handlungen zu übernehmen,

  • Bewusstsein für die eigenen Werte und Stärken zu schaffen,

  • die eigene Vision und, daraus abgeleitet, klare Ziele zu formulieren,

  • Offenheit, Freude und Neugier für die persönliche Entwicklung zu entfachen.

Für Führungskräfte ist eine ausgeprägte Selbstführungskompetenz wesentlich. Denn wer sich selbst nicht führen kann, kann noch viel weniger ein ganzes Team führen. Sehr treffend beschreibt es der Psychologe Friedemann Schulz von Thun: „Führung beginnt bei mir selbst“.

Ich zeige dir nun, wie du durch die Übernahme von Verantwortung und das Bewusstsein über deine Werte und Stärken Selbstführung praktizieren kannst, um deine Persönlichkeit zu stärken.


Übernehme Verantwortung für dich!

Was hat es mit Verantwortung auf sich? Nur wer Verantwortung für sich, also die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen übernimmt, kann zum aktiven Gestaltenden werden. Solange wir Verantwortung abgeben und anderen die Schuld für gewisse Umstände und unsere damit verbundenen Gefühle zuweisen, befinden wir uns in einer sogenannten Opferhaltung. Diese ermöglicht es uns nicht, unser volles Potential auszuschöpfen. Um unsere volle Kraft nutzen zu können, ist es von hoher Wichtigkeit, die Haltung eines Erwachsenen einzunehmen, der unabhängig und frei entscheiden kann.

Weil nicht alles – besser gesagt, recht wenig – allein in unserer Hand liegt, kommt es darauf an, sich auf das zu konzentrieren, was wir kontrollieren können. Und das sind wir selbst. Alles, was uns in unserem (Berufs-)Leben widerfährt, wird erst durch unsere Gedanken und damit unsere Bewertung zu „gut“ oder „schlecht“ bzw. „richtig“ oder „falsch“. Du hast also die Wahl, wie du auf einen Umstand oder ein Verhalten einer Person reagierst und was du aus der jeweiligen Situation machst. Je bewusster du dir dieser Wahl bist, desto freier bist du.

Um deine Gedanken und Reaktionen besser nachvollziehen zu können, ist die Arbeit an deinen Glaubenssätzen empfehlenswert. Glaubenssätze sind Überzeugungen, Einstellungen, Meinungen, die unterbewusst unser Denken und Handeln bestimmen. Sie entstehen aus der Bewertung und Verallgemeinerung früherer Erlebnisse und sind damit sehr individuell. Neben der Orientierung im Leben können uns Glaubenssätze allerdings auch in unserem Handlungsspielraum stark limitieren. Nämlich dann, wenn sie uns das Leben unnötig schwer machen, indem wir stark in die Bewertung von gewissen Umständen gehen. Das Bewusstsein über unsere Glaubenssätze erweitert den eigenen Horizont enorm und erlaubt uns, Situationen aus einer weiteren Perspektive zu betrachten. Das schenkt uns viel Freiraum und Gelassenheit.

Wie du dir deiner Glaubenssätze bewusst wirst:

Mit folgender Schreibübung kommst du deinen Glaubenssätzen näher. Nimm dir eine halbe Stunde Zeit und setze dich an einen ruhigen Ort, an dem du ungestört bist. Versetze dich in Situationen, die du auf der Arbeit erlebt hast, und vervollständige die nachfolgenden Sätze solange, bis dir keine Ideen mehr kommen. Lass die Gedanken dabei frei fließen. Es gibt kein Falsch und kein Richtig.

  • Auf der Arbeit sollte man…

  • Immer wenn…, dann…

  • Ich bin überzeugt (davon), dass …

  • Ich bin zu…

  • Ich kann…

Hast du diese Sätze ausformulierst, hast du einige deiner Glaubenssätze vor dir liegen. Schaue nun, ob dir Situationen einfallen, die den Glaubenssätzen widersprechen. Damit verlieren die Glaubenssätze an Allgemeingültigkeit und zeigen, dass es eine Wahrheit außerhalb deiner Glaubenssätze gibt – das eröffnet dir ungeahnte Chancen.

Wenn du vertieft in die Arbeit an deinen limitierenden Glaubenssätze gehen möchtest, findest du hier zwei Buchempfehlungen:

  • „Mindfuck Job“ von Dr. Petra Bock

  • „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl

Im letztgenannten Buch sind zahlreiche Übungen aufgeführt, die die Arbeit mit den eigenen Glaubenssätzen intensivieren. Es ist sehr nützlich, diese schriftlich auszuarbeiten.

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Kenne deine Werte und Stärken!

Unsere Persönlichkeit wird bedeutend durch unsere Wertvorstellungen und unsere Stärken geprägt – Sie machen uns einzigartig. Um von dieser Individualität profitieren zu können, ist es ausschlaggebend, dass du dir deiner Werte und Stärken bewusst bist und dass du sie ausdrücklich lebst. Genau diese Individualität ist in der neuen Arbeitswelt gefragt!

Werte

Werte oder auch Wertvorstellungen sind Eigenschaften, die wir als besonders erstrebenswert betrachten. Sie leiten uns und beschreiben, was uns wichtig ist und auf welche Art und Weise wir unser Leben führen (wollen). Sie geben unserem Leben einen Sinn und stiften Orientierung. Wie die Glaubenssätze sind Werte Grundlage unserer Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen. Wenn du dich zum Beispiel gerne weiterbildest und Zeit und Geld in Bücher, Vorträge und Seminare investierst, wirst du von einem Wert wie Fortschritt, Entwicklung oder Wachstum geleitet.

Bedingt durch gesellschaftliche Entwicklungen, sind Wertvorstellungen nicht dauerhaft beständig, sondern unterliegen vielmehr einer ständigen Veränderung. So vollzieht sich in der Arbeitswelt derzeit ein Wertewandel. Das Streben nach Macht sowie der Wunsch nach einem hohen Gehalt und einem Firmenwagen werden durch Werte wie Flexibilität und Selbstentfaltung zunehmend abgelöst.

Wie du deine Werte ermitteln kannst:

Die nachfolgenden Reflexionsfragen helfen, dir deiner Werte bewusster zu werden. Zur Beantwortung der Fragen kannst du unterstützend die Werteliste zur Hand nehmen. Die Liste ist keineswegs vollständig, sondern soll vielmehr eine Anregung geben. Ergänze gerne Werte, die dir wichtig sind, auch wenn sie nicht aufgeführt sind. Mit der Beantwortung der Fragen kristallisieren sich deine drei bis vier Topwerte heraus.

  • Welche Werte sind dir in deiner Arbeit besonders wichtig?

  • Welche Werte strebst du in der Zusammenarbeit mit anderen an?

  • Nach Welchen Werten führst du dein Team?

  • In welchen Werten möchtest du ein Vorbild sein?

Nachdem du deine Top-Werte ermittelt hast, stelle dir die Frage, wie sehr du jeden der Werte auf einer Skala von eins bis zehn in deiner Rolle als Führungskraft derzeit lebst. Für Werte mit einer eher geringen Bewertung gilt es, konkrete Maßnahmen zu formulieren, um diese Werte verstärkt leben zu können. Denke hier an Menschen, die du für ihre Handlungen sehr schätzt. Durch welches Verhalten  bringen sie die Werte, die für dich besonders relevant sind, zum Ausdruck? Welche der Maßnahmen möchtest du gerne für dich übernehmen und in deinen beruflichen Alltag integrieren?

Stärken

Wie steht es um das Wissen deiner Stärken? Sehr häufig sind wir uns unserer Stärken nicht bewusst. Denn dadurch, dass uns etwas besonders leicht fällt und uns Freude bereitet, gehen wir davon aus, dass das nichts besonderes sei. Trugschluss! Es fällt uns so leicht, weil genau hier unsere Stärke liegt.

Warum ist es so entscheidend, die eigenen Stärken zu kennen? Unter anderem belegen Studien des Gallup Instituts, dass Mitarbeitende, die sich ihrer Stärken bewusst sind und diese einsetzen:

  • von einer höheren Lebenszufriedenheit berichten,

  • sich ihrer Arbeit stärker emotional verbunden fühlen,

  • mehr Sinnhaftigkeit in ihrer Rolle sehen

  • und dadurch produktiver arbeiten.

Genau dies sind ideale Voraussetzungen, um zu wachsen und Veränderung und Entwicklung voranzutreiben.

3 Übungen, mit denen du deine Stärken bestimmen kannst:

  1. Um Klarheit über deine Stärken zu gewinnen, empfehle ich den Gallup-Stärken-Test. Mittels 177 Fragen, die online beantwortet werden können, werden die fünf Top-Stärken der insgesamt 34 Stärken bestimmt. Nach dem Test wird ein ausführlicher Report zur Verfügung gestellt, der die einzelnen Stärken erklärt und Maßnahmen zur Umsetzung der Stärken vorschlägt. Wähle ein bis zwei Maßnahmen pro Top-Stärke aus, die du gerne ausprobieren möchtest.

2.Bitte ein oder zwei deiner Teammitglieder, schriftlich zu formulieren, was sie an dir besonders schätzen. Du wirst erstaunt sein, welche Stärken genannt werden, über die du dir nicht im Klaren warst.

  1. Nimm dir einmal pro Woche bewusst Zeit, um über deine Erfolge der letzten Woche zu reflektieren.Notiere deine Erfolge schriftlich in einem Erfolgstagebuch. Was ist dir besonders gut gelungen? Was lernst du aus diesem Erfolg? Auf welche Stärken lässt sich dieses Erfolgserlebnis zurückführen? Diese Übung trainiert nicht nur die Entwicklung deines Bewusstseins für deine Stärken, sondern sie festigt auch deine Selbstsicherheit. Viel zu häufig sind wir uns unserer Misserfolge deutlich bewusster als unserer Erfolge – das sollten wir ändern!

Du hast in diesem ersten Teil zwei der vier Bereiche der Selbstführung kennengelernt. Wenn du dir Zeit genommen hast, die oben aufgeführten Übungen zu machen, hast du eine Menge über dich, deine Glaubenssätze, Werte und Stärken erfahren. Wie fühlt sich das für dich an?

Im zweiten Teil widmen wir uns deiner Vision, deiner Ziele und deiner Weiterentwicklung als Führungskraft. Freue dich auf die weitere Reise zu dir als Führungspersönlichkeit!

Erfolgreich führen mit Achtsamkeit:

7Mind für Unternehmen

Über die Autorin

Unsere Autorin Katharina Anna Klumpp sorgt dafür, dass es junge Führungskräfte einfacher haben, als sie es zu Beginn ihrer Karriere hatte. Als Leadership Coach & Trainerin unterstützt sie junge Führungskräfte, sich zu echten Führungspersönlichkeiten zu entwickeln, die mutig und proaktiv die Arbeitswelt von morgen gestalten. Dafür bietet Katharina ein achtwöchiges New-Leadership-Programm an, in dem die Teilnehmenden wirkungsvolle (Selbst-)Führungsqualitäten erlernen, mit denen sie ihr Team selbstbewusst und zielsicher führen können – auch in herausfordernden Zeiten.

Bild 1: LinkedIn Sales Navigator auf Unsplash Bild 2: Nick Morrison auf Unsplash

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