Zukunft gestalten Teil 2: Übers (Nicht-) Ankommen

In unse­rer drei­tei­li­gen Kolumne berich­tet unsere Mind­ful­ness Bot­schaf­te­rin über ihre Erfah­run­gen mit der Berufs­fin­dung. In Teil 2 geht’s um das Ankommen im Praktikum.

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Von Viola Münch

In dieser Kolumne nehme ich dich mit in mein Prak­ti­kum in einem Mountainbike Hotel in der Toskana und meine Gedan­ken und Erfah­run­gen damit. Im ersten Teil habe ich über die Ent­schei­dungs­fin­dung berichtet. In diesem zweiten Teil spre­chen wir übers Ankom­men und im drit­ten Teil dar­über, wie man ins Arbei­ten kommt. Ich freue mich, dass du dabei bist.

Ziele und Fokus um Anzukommen

“Wie kann ich im Praktikum eigentlich unterstützen?”, “Ich hab doch von alledem keine Ahnung.”, “War es doch eine falsche Entscheidung?”, “Was, wenn ich hier nie richtig ankomme?”, “Vielleicht sollte ich es sein lassen.”

Kennst du diese Gedanken? Ich hatte sie schon lange vor meinem ersten Praktikumstag. Da ich allerdings die Fragen “Was will ich wirklich” und “Was kann ich geben” aus Teil 1 meiner Kolumne sehr ehrlich beantwortet habe, fiel es mir relativ leicht aus diesen Gedanken herauszukommen. Denn diese Basis hat mir Vertrauen in meinen Weg gegeben. Ich konnte diese destruktiven Gedanken als “Angst vor der Herausforderung” erkennen und in Vorfreude auf mein Wachstum und einen Sommer in Italien umwandeln.

Dies ist mir vor allem dadurch gelungen, mir die Ziele und Wünsche für mein Praktikum aufzuschreiben, um so einen klaren Fokus zu haben:

  • Was will ich während dieser Zeit lernen? Was will ich nach dem Praktikum wissen oder können?

  • Welche Arbeit würde ich gerne machen und was möchte ich erfahren?

  • Wie kann ich mich und meine Stärken einbringen?

  • Was für ein Mensch möchte ich dort sein? Wie möchte ich wahrgenommen werden?

  • Wie stelle ich mir ein perfektes Praktikum vor?

  • Wie möchte ich mich fühlen?

Trotz allem habe ich mich am Anfang verloren gefühlt: Fremde Sprache, andere Arbeitskultur und Herangehensweisen, viele Eindrücke und noch keine Ahnung, wo mein Platz ist und sein wird. Ich wusste bereits im Vorfeld, dass dieser Anfangs-Struggle Teil der Erfahrung ist, die ich machen möchte. Es sind genau diese Momente, die mich wachsen lassen.

Ich habe mir selbst die Zeit gegeben, mich auf die Kultur und die neue Umgebung einzustellen und mir zugestanden, mich verloren fühlen zu dürfen. Denn das bringt mich dazu, viel intensiver darüber nachzudenken, wer ich sein möchte und die Offenheit der Situation gibt mir den Handlungsspielraum, genau das umzusetzen.

Vielleicht kennst du das: Wenn du umziehst, neue Menschen kennenlernst oder Reisen bist - durch die neuen Einflüsse entdeckst du neue oder andere Seiten an dir. Alles, was du bis dahin dachtest, wer du bist, erweitert sich. Um mir diese Zeit zu erleichtern, habe ich die großen Ziele für mein Praktikum auf Wochen- und Tagesziele runtergebrochen. So hatte ich einen Wegweiser, der mich ins Hier und Jetzt und ins Handeln gebracht hat. Vor allem war ich jeden einzelnen Tag dankbar dafür, hier sein zu können - in der wunderschönen Toskana, umgeben von wundervollen Menschen und das inmitten meiner größten Leidenschaft, dem Mountainbiken.

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Wenn das Leben andere Pläne für dich hat

Gerne hätte ich an dieser Stelle erzählt, dass die erste Struggle-Zeit vorüber ist und damit beispielgebend bewiesen, dass mein Umgang mit Gedankenspiralen und Gewohnheiten erfolgreich war - so der Plan. Dieser Plan wurde genauso durchkreuzt, wie der für mein Praktikum. Denn leider ist die Struggle-Zeit nicht vorbei. Sie erstreckt sich nun seit vier Wochen, weil ich mir in der zweiten Praktikumswoche das Schlüsselbein beim Mountainbiken gebrochen habe.

Was ist also, wenn trotz der reflekiertesten und achtsamsten Vorgehensweise nicht alles nach Plan läuft? Was ist, wenn die Saison voll am laufen und man selbst voller Tatendrang ist, aber die negativen Gedanken von vor dem Praktikum wahr werden könnten: “Was, wenn ich nie richtig ankomme?” und “Was kann ich da eigentlich helfen?” Sind wir ehrlich: Mit einer solchen Verletzung kann man nicht helfen. Schlimmer: Man ist auf Hilfe angewiesen.

Dennoch hat mich dieser Vorfall zu keinem Zeitpunkt in ein Loch oder in negative Gedanken fallen lassen. Im Gegenteil: Der Support, den ich erfahren habe, hat mich darin bestätigt, wie wertvoll und nachhaltig es ist, mir mein Praktikumsplatz und mein Umfeld nach meinen Werten auszuwählen. Jeden Moment vor dem Unfall bewusst genossen zu haben (sogar die letzte Abfahrt 😀), hat mich nichts bereuen lassen. Ich habe diesen Umstand akzeptiert und war dankbar, dass ich die Verletzung in Italien und in einem verständnisvollen Arbeitsumfeld auskurieren darf.

Mit Blick auf meine erarbeiteten Praktikumsziele habe ich außerdem schnell erkannt, dass ich diese der Verletzung anpassen und erreichen kann. Damit war ich direkt wieder im Game: Zwei Tage nach meinem Unfall habe ich also versucht, das Praktikum im Rahmen meiner Möglichkeiten zu gestalten: An der Rezeption sitzen, Gäste begrüßen, Check-In lernen – denn das geht schließlich auch mit einem eingeschränkten Arm. Ich habe meine Remote-Nebenjobs weitergemacht als ob nichts passiert wäre – am Notebook sitzen kann man schließlich auch mit gebrochenem Schlüsselbein. Ich habe noch ein Uni-Blockseminar belegt – war Pflicht und Online, easy. Und ich schreibe diesen Beitrag – geht schon alles.

Meine Herangehensweise an das Praktikum hat mir also auch für diese ungeplante Situation geholfen, sie zu akzeptieren, das Positive zu sehen und vor allem an meinem Praktikum festzuhalten, weiterzumachen. Aber wie achtsam war das wirklich?

Kann ich überhaupt achtsam arbeiten?

Ein Freund hat mich gefragt: “Was würdest du eigentlich bei einer solchen Verletzung machen, wenn du seit Jahren in einem Nine-to-five-Job arbeiten würdest?” Meine (erstaunlich klare) Antwort war: “Mich 8 Wochen krankschreiben lassen.” Wenn ich also ehrlich zu mir bin: Was ich gemacht habe, war ganz und gar nicht achtsam! Ich habe meinem Körper keine Sekunde die Ruhe gegeben, die er zum Gesundwerden gebraucht hätte.

Nicht zuletzt durch mein Studium sind die Übergänge zwischen Studieren, Chillen, Lernen, Freunde, Arbeiten, Sport, Achtsamkeit und Biertrinken fließend geworden. Ich mag es, dass all das integraler Teil meines Lebens ist. Ich mag es, dass dadurch alles was ich tue in Übereinstimmung mit dem ist, wer und was ich bin und sein will. Arbeit ist für mich zu einem ganzheitlichen Lebenskonzept geworden: Ich bin frei und selbstbestimmt. Leben und Arbeit sind für mich nicht mehr zwei Teile, die getrennt betrachtet werden und die es auszubalancieren gilt (wie es der Begriff “Work-Life-Balance” suggeriert).

Diese Sichtweise wurde nun herausgefordert. Denn offensichtlich hat dieses Konzept nicht dazu geführt, dass ich mir eine Pause nach meinem Unfall zugestanden habe: Muss ich doch zwischen “Arbeit” und “Leben” trennen? Ist achtsames Arbeiten mit meinem Konzept nicht möglich?

Wer bin ich, wenn ich (nicht) arbeite?

Ich sei frei und selbstbestimmt, habe ich geschrieben. Aber wie frei bin ich wirklich, wenn ich dann nicht selbst darüber bestimme, meine Gesundheit  an erste Stelle zu setzen? Ich habe festgestellt, dass ich im vergangenen Jahr sehr gut gelernt habe, mich selbst zu organisieren, diszipliniert zu sein, meine Zeit zu managen.

Aber meine Vorstellungen von Arbeit und das Studierenden-Leben erfordern mehr als das. Nämlich auch und vor allem, dass ich diejenige sein muss, die für sich selbst einsteht. Ich muss Raum für meine Bedürfnisse schaffen, um meine Freiheit zu wahren.  Das “Einzige”, das ich dafür tun muss - und da liegt die Verantwortung komplett bei mir - ist, meine Bedürfnisse zu erkennen, klar zu kommunizieren, etwas einzufordern und dann auch die Hilfe anzunehmen, die mir angeboten wird - mir fällt das ehrlich gesagt ziemlich schwer.

Aber seit ich damit begonnen habe, habe ich eindrucksvoll erfahren, dass meine Bedürfnisse bei einem Arbeitsumfeld, das ich mir nach meinen Werten ausgewählt habe, einen Platz haben und gehört werden. Dass man gemeinsam Lösungen finden kann. Außerdem habe ich während der Auseinandersetzung mit diesem Thema erkannt, dass ich achtsamer mit meinen Energiereserven umgehen sollte.

Arbeit, möge sie noch so sinnstiftend, motivierend und weise gewählt sein, ermüdet und erfordert daher Pausen - wenn wir gesund sind und noch mehr wenn wir krank sind. Es geht also nicht darum ein Konzept, das für mich funktioniert, in Frage zu stellen, sondern darum, wie konsequent ganzheitlich ich dieses Konzept umsetze.

Für mich hat sich durch diese Situation ein weiteres großes Thema eröffnet - und ich glaube es tut unserer Generation, uns Studierenden, uns Menschen in einer kapitalistischen Welt gut, immer mal wieder innezuhalten und sich diese Fragen zu stellen:

  • Woher kommt dieser Gedanke, ständig etwas leisten zu müssen?

  • Warum fühle ich mich schlecht, wenn ich mich ausruhe?

  • Was sagt es über meinen Selbstwert aus, wenn ich mir keine Pausen zugestehe?

  • Definiere ich mich ausschließlich über das, was ich arbeite und was andere über mich denken?

  • Was bin ich wert, wenn ich nichts arbeite?

  • Wer bin ich, wenn ich nicht arbeite?

Learnings

Einerseits (und ich bin sehr dankbar dafür) lerne ich also gerade, meinen eigenen Wert und meine Bedürfnisse nicht an die letzte Stelle zu setzen. Andererseits bin ich vier Wochen nach meinem Praktikumsstart immer noch nicht richtig angekommen. Gleichzeitig habe ich bemerkt, dass meine Herangehensweise mir auch in unvorhergesehenen Zeiten hilft. Damit gehe ich optimistisch in die nächsten Wochen und bin mir sicher, dass ich damit endlich richtig ankommen werde.

Jede:r von uns, und mag sie oder er noch so reflektiert oder achtsam sein, steht vor Herausforderungen. Immer und immer wieder. Wichtig ist die Akzeptanz und unser achtsamer Umgang mit der Situation - denn nur dann sind wir wirklich frei.

Ich weiß nun, dass ich ein privates und berufliches Umfeld sowie das Mindset und die Werkzeuge habe, die mich nicht nur durch diese Zeit kommen lassen, sondern die mir dabei helfen, sie auf eine besondere Weise genießen zu können.

Der Beitrag steht.. und ich erfahre, dass ich operiert werden muss. Ich lese mir nun also selbst den letzten Absatz wieder und wieder durch. Und genieße meinen (vorerst) letzten Abend unter klarem Sternenhimmel in Italien. Denn was ist gerade wichtiger?

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Über die Autorin: Ich bin Viola, 26 Jahre alt und Masterstudentin im Studiengang “Sportwissenschaft: Organisationsentwicklung und Management” an der Uni Bielefeld. Zusammen mit einem wunderbaren deutschlandweit verteilten Team an 7Mind Mindfulness-Botschafter:innen darf ich im Rahmen des Campus Coach Programms Achtsamkeit und Meditation an die Unis und Hochschulen bringen.

Bild: Pixabay auf Unsplash

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