Wie kommen wir entspannt durch die Weihnachtstage?

Viele Menschen verbinden die Weihnachtszeit mit Stress. Aber das muss nicht sein. Was du dafür tun kannst, zeigen wir dir im zweiten Teil unseres Weihnachtsartikels.

von Gastautor Leonard Gabriel Heygster

In Teil 1 unseres Weihnachtsartikels haben wir uns angeschaut, warum wir uns in der Weihnachtszeit oft gestresst fühlen. In diesem Teil erfährst du, welche vielen Funktionen das Weihnachtsfest erfüllt und wie du diese Zeit bewusst und achtsam für dich nutzen kannst.

Weihnachten, der Allrounder unter den Festen

Schaut man hinter die Fassade des Offensichtlichen, dann erfüllt das Weihnachtsfest eine ganze Reihe an Funktionen:

1. Weihnachten gibt Struktur

Ihre ursprüngliche, religiöse Bedeutung verleiht dem Weihnachtsfest einen stark strukturgebenden Charakter. Es hilft uns, das eigene Leben einzuordnen. Es fordert uns auf, uns damit zu beschäftigen, was das eigene Leben ausmacht. Dabei spielt es in erster Linie keine Rolle, ob man dem christlichen Glauben angehört. Weihnachten wirke dabei wie eine Klammer des Lebens, denn in dem Moment, wo es um das Thema von [Jesus’] Geburt geht, geht es immer automatisch auch um den Tod.

2. Weihnachten fördert die soziale Interaktion

Zusätzlich hat Weihnachten eine stark kommunikative Funktion. Es bietet uns an, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, vor allem mit den Menschen, die uns lieb und teuer sind. Damit erfüllt das Weihnachtsfest das zentrale Merkmal, das ein gelingendes Leben ausmacht: Es fördert soziale Interaktion.

3. Weihnachten lädt ein, Zuneigung zu zeigen

Auch die ökonomische Funktion von Weihnachten spielt eine zentrale Rolle. Sie ist besonders ambivalent und löst in ihrer mitunter ausufernden Form berechtigterweise Kritik aus. Dennoch, so Prof. Deister, ist sie im Grunde nichts weiter als eine Reaktion darauf, wofür Weihnachten eben auch steht: Nächstenliebe.

Durch das tief in uns angelegte Bedürfnis, uns selbst und anderen etwas Gutes zu tun, gelingt es Werbetreibenden jedes Jahr, viele Menschen dazu zu bewegen, als Zeichen ihrer Wertschätzung Geld auszugeben. Die Werbung zur Weihnachtszeit spielt mit diesem Bedürfnis, indem sie beispielsweise durch das Spielen von Weihnachtsmusik in Kaufhäusern gezielt Emotionen auslöst.

Die ökonomische Ebene von Weihnachten ist daher die Folge unseres Bedürfnisses, sich selbst oder anderen Menschen eine Freude zu machen. Der möglicherweise empfundene Druck, Geschenke zu kaufen (oder kaufen zu müssen), ist also eine Spiegelung davon, dass man anderen Menschen seine Zuneigung zeigen möchte.

Sich in andere Menschen hinein zu fühlen, das ist etwas Schönes. Meinem Bedürfnis nachzugehen, anderen eine Freude zu machen, das lohnt sich schon. Maßvoll eingesetzt, gibt es in der Vorweihnachtszeit so viele Gelegenheiten dazu wie sonst nie im ganzen Jahr.

All diese Ebenen greifen an Weihnachten ineinander und machen am Ende die Komplexität des Weihnachtsfestes aus. Im Interview bei humansarehappy rät Prof. Deister, sich selbst dabei möglichst wenig Druck zu machen. Man darf es sich erlauben, auch mal etwas zu tun, das man selbst mitunter kritisch betrachtet. Wie bei allem im Leben, macht auch hier die Dosis das Gift.

Die Leere nach dem Fest

Auch dieses Phänomen ist weit bekannt, es hat sogar einen eigenen Fachbegriff. Die Rede ist von der postweihnachtlichen Entlastungsstörung. Direkt nach Weihnachten steht zwar schon das Silvesterfest an, aber spätestens ab Neujahr fallen viele Menschen in ein emotionales Loch. Der Kalender sieht bis Ostern kaum Feiertage vor, es gibt wenig Strukturierendes. Die Tage sind kalt und kurz, oft sogar trist.

Es ist aber ein ganz normales Phänomen, dass Menschen gerade nach Phasen großer Anspannung ihrer eigenen Erschöpfung erst dann Raum geben, wenn eine Phase der Entspannung eintritt. So kommt es nicht selten vor, dass man nach wichtigen Prüfungsphasen oder am Anfang eines Urlaubs krank wird. Oder eben im Januar, nach dem Eventmarathon im Dezember.

Das zeige im Grunde, wie gut unser Körper funktioniere, sagt Prof. Deister. Und auch hierfür gibt es einen Fachbegriff: Man befindet sich dann in einer sogenannten vulnerablen Phase, einer Phase der Verletzlichkeit.

Es ist hilfreich, sich diese Systematik bewusst zu machen. Das hilft, mit ihrem Eintreten umzugehen und nicht durch sie überrascht zu werden, was eine zusätzliche Verunsicherung auslösen kann.

Das Leben ist ganz natürlich in Phasen von Anspannung und Entspannung definiert. Nachdem die Anspannung einige Zeit kontinuierlich angestiegen ist – wie zum Beispiel während der Weihnachtszeit – bricht sie in der Regel ab einem bestimmten Punkt (z.B. ab Neujahr) wieder rapide ab. Ähnlich verhält es sich auch mit Prüfungsphasen oder Projekten im Berufsleben. Die danach folgende Phase der Entspannung kann zwar als Leere empfunden werden, aber sie ist notwendig, um wieder ausreichend Ressourcen aufzubauen und eine anschließende Phase der Anspannung bewältigen zu können.

Tipps, wie du achtsam durch die Weihnachtstage kommst

Aber wie geht man jetzt am sinnvollsten mit den eigenen Erwartungen und möglichem Stress rund um die Weihnachtszeit um? Diese Eckpfeiler können helfen, um eine achtsame, schöne und möglichst besinnliche Weihnachtszeit zu erleben:

1. Hab realistische Erwartungen

Wir dürfen uns erlauben, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir die eigenen Bedürfnisse nach Nähe oder Wärme decken können, rät Prof. Deister. Oder wie wir anderen Menschen eine Freude machen können. Gleichzeitig hilft es aber zu bedenken, dass solche Gedanken emotionale Ressourcen fordern. Wer sich darauf einstellt und wohlwollend damit umgeht, dem fällt der Umgang mit Stress anschließend leichter.

2. Sei dir über Konfliktpotentiale bewusst

Es hilft, uns vor Augen zu halten, dass Weihnachten wie ein Verstärker für die eigene Situation wirkt. Ein ohnehin schon vorhandenes Gefühl von Einsamkeit kann so verstärkt werden. Wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es hingegen immer Konfliktpotential. Und unausgesprochene (Familien-)Konflikte erhöhen dieses noch weiter. Hier hilft vor allem die Achtsamkeit dafür, dass wir nicht die einzigen Menschen mit Erwartungen an das Weihnachtsfest sind. So kann es innerlich leichter fallen, Kompromisse zu schließen.

3. Trau dich, Hilfe anzunehmen

Gerade an Weihnachten gibt es besonders viele Hilfsangebote. Neben der Telefonseelsorge gibt es häufig auch regionale Angebote, wie Begegnungscafés oder Angebote von gemeinnützigen Trägern. Eine kurze Recherche hilft oft doppelt: So kommen wir ins Handeln und finden in der Regel schnell weitere Hilfsangebote.

4. Beuge der Leere nach Weihnachten vor

Um nach Neujahr nicht in ein emotionales Loch zu fallen, hilft es zum Einen, sich die natürlichen Zyklen von Anspannung und Entspannung bewusst zu machen und als normal anzunehmen. So können wir entweder nach Weihnachten bewusst weniger planen oder uns Aufgaben und Ereignisse an den Anfang des Jahres legen, auf die wir uns besonders freuen. So schaffen wir gezielt neue Höhepunkte.

Und wenn alles schief geht?

Das Gelingen eines Lebens entscheidet sich in den wenigsten Fällen an einem konkreten Weihnachtsfest. Das kann ein tröstlicher Gedanke sein. Wenn Weihnachten dann trotz aller Vorkehrungen nicht ganz so schön war, dann haben wir im nächsten Jahr ganz sicher einen neuen Versuch. Das heißt aber nicht, dass wir ein ganzes Jahr warten müssen, bevor wir aktiv werden. In solchen Fällen hilft es, sich die Frage zu stellen, was wir im Jetzt tun können, um die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen.

Auf die Frage, über welchen Gedanken sich jeder Mensch im Kontext Weihnachten einmal Gedanken machen sollte, findet Prof. Deister schnell eine Antwort:

Wie kann ich Weihnachten nutzen, um Bedürfnisse zu befriedigen, zu denen ich sonst nicht so einen guten Zugang habe?

Wer diesen Impuls nutzt, hat wahrscheinlich zumindest eines ganz sicher: Eine im wahrsten Sinne des Worten besinnliche Weihnachtszeit. Wenn sich das mal nicht lohnt.


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Über den Gastautor: humansarehappy ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Entstehung von Wohlbefinden. Im humansareh­appy Pod­cast spricht Leonard Gabriel Heygster alle zwei Wochen mit Vertreter:innen aus den Berei­chen Wis­sen­schaft, Wirt­schaft, Gesell­schaft oder Poli­tik über die Ent­ste­hung von Wohl­be­fin­den, Zufrie­den­heit und Glück.

Das gesamte Gespräch mit Prof. Deister hörst du im humansarehappy Podcast.


Foto: Nicole Michalou auf Pexels

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