Wie wir mit Journaling unsere Dankbarkeit stärken

Dankbarkeit ist ein einzigartiges Gefühl, das uns die Augen für die schönen Seiten im Leben öffnet. Wie viel Kraft sie hat und wie das Führen eines Journals hilft, Dankbarkeit zu üben, liest du hier.

von Ria Schmidt

Der Wert von Dankbarkeit

Das Gefühl, so richtig dankbar zu sein, ist ein ganz besonderes: Wir spüren, wie es in unserer Brust weit und wohlig wird. Es ist uns sprichwörtlich “warm ums Herz” und nicht selten zeigt sich bei uns ein kleines Lächeln, einfach so. Kurz gesagt: Dankbarkeit fühlt sich fantastisch an – und wirkt außerdem positiv auf unser Wohlbefinden: So mehren sich in der Wissenschaft die Hinweise, dass Menschen, die das Schöne im Leben wertschätzen, zufriedener sind, erfülltere Beziehungen führen und eher dazu bereit sind, mit anderen zu teilen. Außerdem leiden sie seltener an Depressionen und Schlafstörungen und können besser mit Krisen umgehen.¹

Laut einer Forschung von Paul Mills tut dankbar sein sogar unserer körperlichen Gesundheit gut. Wer beispielsweise herzkrank ist und die eigene Dankbarkeit kultiviert, ist überzeugter, die Erkrankung zu meistern und hat weniger Entzündungsmarker im Blut, die ein Herzversagen begünstigen.²

Wenn wir auf das Gute im Leben achten und nicht auf das Schlechte, haben wir eine höhere Wahrscheinlichkeit, unser Leben positiver zu erleben.

Somit spricht immer mehr dafür, dass wir nicht nur Dankbarkeit spüren, wenn unsere Lebensumstände gut und daher dankenswert sind. Es zeigt sich eben auch, dass wir selbst für mehr Zufriedenheit sorgen können, indem wir aktiv werden und unsere Dankbarkeit schulen. Das kann beispielsweise durch das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs geschehen, worauf wir gleich noch näher eingehen.

Warum wir mehr Dankbarkeit brauchen, um Negatives auszugleichen

Stell dir vor, du organisierst eine Feier und alle deine Gäst:innen sind total begeistert. Bis auf die eine Person, die beiläufig eine kritische Bemerkung fallen lässt. Was bleibt dir wohl am Ende des Tages im Gedächtnis? Tatsächlich tendieren wir Menschen dazu, uns stärker und lebhafter an negative Dinge zu erinnern. Die Wissenschaft hat dafür einen Namen: Negativity Bias (zu deutsch: Negativitätsverzerrung)

Das ist eine Art “Voreingenommenheit” unseres Gehirns: Sie zwingt uns, Probleme und Ärger stärker wahrzunehmen als positive, schöne Erfahrungen.³ Diese menschliche Grundeinstellung hatte früher einen guten Zweck: Sie half uns, unser Überleben zu sichern. Heute jedoch macht sie es uns schwer, eine neutrale Sicht auf Erlebtes beizubehalten.

So haben Studien herausgefunden, dass es in einer Beziehung normalerweise fünf gute Interaktionen braucht, um eine einzige schlechte auszugleichen, und dass schmerzhafte Erfahrungen viel einprägsamer sind als angenehme.⁴

Unsere Voreingenommenheit gegenüber dem Negativen führt dazu, dass wir den schlechten Dingen viel mehr Aufmerksamkeit schenken und sie viel wichtiger erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind.

Es lohnt sich also einmal mehr, uns bewussten Dankbarkeitsübungen zuzuwenden, um das Schöne im Leben präsent werden zu lassen in unserem Kopf. So können wir ihm den Raum geben, den es verdient hat.

Die Gefahr der toxischen Dankbarkeit

Die Sache mit der Dankbarkeit ist: Sie wird oft als Pflaster verwendet, wenn die Dinge nicht rund laufen. Wir scheinen darauf gedrillt zu sein, in jedem Rückschlag die eine positive Sache zu finden, von der wir lernen können – und wofür wir natürlich dankbar sein sollen. Dabei können wir in eine Art “toxische Dankbarkeit” geraten. Und mit der gehen zwei Probleme einher:

  1. Wir konditionieren uns, Negatives und Schmerzhaftes wegzudrücken statt uns damit auseinanderzusetzen

  2. Wir machen aus Dankbarkeit eine mentale Gegenreaktion und verlernen womöglich, wie sich dankbar sein wirklich anfühlt

Wenn wir uns wirklich in Dankbarkeit üben, dürfen wir zuerst akzeptieren, dass nicht immer alles gut ausgeht. Und wir nicht für alles dankbar sein müssen. Wenn wir diese Realität für uns anerkennen, fällt es leichter, das Toxische aus- und die echte Dankbarkeit einzuladen.

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Echte Dankbarkeit: Wie wir sie praktizieren

Die Suche nach echter Dankbarkeit ist also auch eine Suche nach dem Sweet Spot: Zwischen dem für Menschen typischen Negativitätszoom auf der einen und der “Ich bin für alles dankbar!”-Haltung auf der anderen Seite.

Und doch bedarf es manchmal nicht mehr als die Erinnerung daran, einen Moment der Reflexion zu schaffen. Dabei geht es nicht darum, das Unangenehme auszublenden, sondern lediglich unseren Blick zu weiten für all das Gute, das vielleicht in den Hintergrund geraten ist. Das könnten zum Beispiel sein:

  • Dinge, die wir manchmal als selbstverständlich sehen

  • Schwierige Phasen, die wir schon überwunden haben

  • Errungenschaften im Leben, auf die wir stolz sein dürfen

  • Menschen in unserem Umfeld, auf die wir uns verlassen können

  • Kleine aber feine Momente im Alltag, über die wir uns gefreut haben

Wie du mit Journaling den ersten Schritt zu mehr Dankbarkeit machst

Wir können uns selbst daran erinnern, der Dankbarkeit regelmäßig ihren Raum zu geben. Oder wir können uns daran erinnern lassen. Beispielsweise durch ein Dankbarkeitstagebuch, eine besondere Form des Journals.

Im Gegensatz zu einem normalen Tagebuch geht es hier weniger darum, nur zu notieren, was über den Tag passiert ist. Vielmehr ist es eine Erinnerung, bei der du täglich reflektierst und aufschreibst, wofür du dankbar bist oder welche Momente ein Gefühl an Dankbarkeit ausgelöst haben. So kannst du das Journaling als Dankbarkeitsübung für dich angehen:

Tipp 1: Leg dir eine feste Zeit für deine Dankbarkeitsübung fest

Wichtig ist vor allem, dass sie sich gut in deinen Alltag integrieren lässt. Denn so machst du sie am ehesten zur Gewohnheit. Das kann beispielsweise gleich morgens nach dem Aufwachen sein oder vorm Schlafengehen.

Tipp 2: Finde das Format, das für dich passt

Du kannst dir ein eigenes Tagebuch zusammenstellen oder auf Journals wie das 6-Minuten-Tagebuch zurückgreifen. Was hier besonders schön es: Es bietet dir eine kurze Routine am Morgen und am Abend, die nicht mehr als 3 Minuten dauern. Jede Woche gibt’s außerdem Reflexionsfragen, mit denen du Gewohnheiten, wie zum Beispiel das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs, etablieren kannst.

Tipp 3: Spüre dem Geschriebenen nach

Schreibe die Beiträge nicht nur mechanisch herunter, sondern gib dir beim Verfassen die Zeit, Gefühle aufsteigen zu lassen. Sich an Dinge zu erinnern, für die wir dankbar sind, geht meistens ganz flott. Bis das dazugehörige Gefühl jedoch in uns aufkommt, dauert es manchmal ein wenig. Du kannst das Geschriebene nochmal durchlesen und nachspüren, in dem du deine Aufmerksamkeit auf die Person, die Sache oder das Ereignis, für das du dankbar bist, lenkst. Welche Gefühle entstehen dabei in dir? Wo im Körper kannst du es fühlen?

Diese Effekte hat das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs

Wenn wir uns täglich ein paar Minuten für unser Dankbarkeitstagebuch nehmen, hat das so einige positive Effekte. Hier ist eine Auswahl:

  • Es fördert deine Achtsamkeit für Erlebnisse im Alltag

  • Es hilft, dich bewusst mit deinen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen

  • Es dokumentiert deine persönliche Entwicklung und schafft Erinnerungen

  • Es kann helfen, eine neue Perspektive zu gewinnen

  • Es kann deinem Tag einen positiven Ausklang verleihen

In einer Studie der Medical School of Berlin wurde außerdem gezielt untersucht, welche Effekte das 6-Minuten-Tagebuch auf Student:innen hat. Dabei zeigte sich: Das Führen eines solchen Dankbarkeitsjournals reduziert messbar das Empfinden von Stress und negativen Gefühlen. Bei Teilnehmenden, die das Buch über vier Wochen hinweg genutzt haben, konnte zudem eine stärkere Resilienz (mentale Widerstandskraft) sowie eine höhere Selbstwirksamkeit (eigene Überzeugung, Schwierigkeiten selbst zu meistern) festgestellt werden.⁵ Gerade letzteres macht deutlich, warum es so wichtig ist, Dankbarkeitsübungen regelmäßig und über längeren Zeitraum im Alltag einzubauen.

Wenn wir uns also bewusst die Zeit nehmen, echte Dankbarkeit in uns heraus zu kitzeln, wirkt das nicht nur wie ein Korrektiv für unsere verzerrte Wahrnehmung und zeichnet ein volleres, realistischeres Bild unseres Lebens. Nein, sie alleine hat außerdem die Kraft, uns auf unsere Stärken zu besinnen und uns so mehr Selbstsicherheit zu geben. Danke Dankbarkeit!

Foto: Monstera auf Pexels


Quellen:

¹ Courtney E. Ackerman (2017). Benefits of Gratitude: 28+ Surprising Research Findings. https://positivepsychology.com/benefits-gratitude-research-questions/#benefits-gratitude

² Cousin L, Buck H, Benitez B, Mills P, Redwine L. A Structural Equation Model of Gratitude, Self-efficacy, and Medication Adherence in Patients With Stage B Heart Failure. J Cardiovasc Nurs. 2020 Nov/Dec;35(6):E18-E24. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32649372/

³ Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Finkenauer, C., & Vohs, K. D. (2001). Bad is Stronger than Good. Review of General Psychology, 5(4), 323–370. https://doi.org/10.1037/1089-2680.5.4.323

⁴ Hanson, Rick: Take in the Good. https://www.rickhanson.net/take-in-the-good/

⁵ Lorenz Timo, Algner Mona, Binder Benjamin (2022). A Positive Psychology Resource for Students? Evaluation of the Effectiveness of the 6 Minutes Diary in a Randomized Control Trial. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2022.896741

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