Wie Achtsamkeit & Resilienz deinen Umgang mit Stress bessern

Resilienz ist unsere psychische Widerstandsfähigkeit, die uns durch Krisen hilft. Lies, von welchen Faktoren deine Resilienz abhängt und wie du sie trainierst.

Von Siri Frericks

Science Snack #9: Was ist Resilienz?


Wie Resilienz deinen Umgang mit Stress bessert

Resilienz ist in aller Munde, besonders bei jenen, die sich viel mit mentaler Gesundheit beschäftigen. In den letzten 20 Jahren hat das Thema in der Forschung Fahrt aufgenommen: seit ca. 10 Jahren ist die Tendenz besonders steigend. Und dafür gibt es gute Grunde. Welche sind das? Und was ist Resilienz überhaupt? Können wir sie trainieren oder ist sie in Stein gemeißelt? Und was hat das Ganze mit Achtsamkeit zu tun? Nach diesem Science Snack weißt du mehr.

Wenn Psycholog:innen von Resilienz sprechen, meinen sie damit die psychische Widerstandsfähigkeit eines Menschen. Sie kommt zum Tragen, wenn wir uns trotz widriger Umstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich entwickeln. Das lateinische Wort resilio bedeutet so viel wie abprallen oder zurückspringen. Du kannst dir also Resilienz als Fähigkeit vorstellen, stressige Ereignisse an dir abprallen zu lassen, oder nach einem stressigen Ereignis wieder zurück in deine ursprüngliche Verfassung zu springen. Deshalb wird Resilienz auch als psychische Widerstandskraft bezeichnet. Das Konzept meint also nicht, dass wir nie Stress empfinden sondern vielmehr, dass wir so mit ihm umgehen, dass er uns nicht dauerhaft belastet. Wer sehr resilient ist, geht wahrscheinlicher unbeschadet oder sogar gestärkt aus stressigen Phasen oder einschneidenden Erlebnissen hervor. Bei einer geringen Resilienz können sich Stress und intensive Belastung leichter gesundheitlich bemerkbar machen.

Aber wie entstehen Erkrankungen und gesundheitliche Beschwerden überhaupt?

Wie Erkrankungen entstehen

Einige Antworten darauf gibt das bio-psycho-soziale Modell. Es wurde von dem Psychiater George Engel entwickelt und ist eine Grundlage der Klassifizierung von Krankheiten bei der World Health Organization, der WHO. Dort erklären die Leitlinien, dass nicht nur biologische Faktoren zu Krankheit führen können sondern auch psychische und soziale.

Biologische Faktoren

... beziehen sich auf die Funktion unserer Körper - ein gebrochenes Bein wird kaum jemand als gesund bezeichnen. Dazu gehören unter anderem noch Infektionen oder genetische Veranlagungen.

Psychischen Faktoren

... umfassen unter anderem unsere Gefühle, Gedanken, Verhaltensweisen, Einstellungen und Erwartungen. Es hat zum Beispiel einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit, was für Strategien wir im Umgang mit Stress anwenden.

Soziale Faktoren

... sind zum Beispiel unsere Lebensverhältnisse und unsere Einbindung in soziale Netzwerke und Gemeinschaften. So kann auch unsere Schulbildung den Gesundheitszustand beeinflussen.


Es gibt also viele Faktoren, die damit zusammenhängen, ob wir uns eher in Richtung Krankheit oder in Richtung Gesundheit entwickeln. Sie werden auch als Risiko- und Schutzfaktoren bezeichnet. Wie resilient wir sind, zeigt sich dann eigentlich erst, wenn wir in einer schwierigen Situation stecken und einen Umgang damit finden. Wie wir mit der Situation umgehen und sie bewältigen, hängt von zahlreichen Aspekten ab. Entsprechend gibt es auch sehr viele Faktoren, die unsere Resilienz beeinflussen. Einige können wir selbst kaum beeinflussen, andere dafür schon. Wenn es um den eigenen Handlungsspielraum geht, steht vor allem die psychische Ebene im Fokus. Denn unsere Einstellungen, Eigenschaften und Verhaltensweisen, können wir zu einem gewissen Maß bewusst steuern.

Es gibt zahlreiche Modelle, die unterschiedlich aufgebaut sind und dabei unterstützen sollen, die eigene Resilienz zu stärken. Welche Schutzfaktoren im Fokus stehen, kann dabei sehr variieren, denn ein eindeutiges richtig oder falsch scheint es nicht zu geben. Du kannst dir das wie bei einer Waage vorstellen: die Schutzfaktoren liegen in der einen Waagschale, die Risikofaktoren in der anderen. Je mehr die Waage in Richtung deiner Schutzfaktoren kippt, desto leichter gelingt es dir, mit herausfordernden Situationen umzugehen - desto resilienter bist du.


Wie können wir unsere Resilienz bewusst stärken?

Die psychologischen Schutzfaktoren, die am häufigsten in den verschiedenen Modellen vorkommen, bilden die Säulen unseres Online Präventionskurs: Resilienz im Umgang mit Stress. Wie unterschiedliche Stellschrauben können sie dich dabei unterstützen, deine Resilienz nachhaltig zu fördern:

1. Selbstwahrnehmung

Die Selbstwahrnehmung umfasst, wie wir uns selbst, mitsamt unserer Stärken und Schwächen, erleben. Je genauer wir uns reflektieren und kennen, desto besser können wir auch einschätzen, wie wir welche Herausforderungen wir meistern können und wann wir lieber um Unterstützung bitten. Dabei spielen sowohl das Selbstbild als auch die Selbstwirksamkeit eine wichtige Rolle.

Eine Studie aus dem Jahr 2019 hat 200 Teilnehmende zu Stress, Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit befragt. In der Analyse hat sich gezeigt, dass Stress negativ mit Achtsamkeit und Selbstwirksamkeit zusammenhängt. Das bedeutet, dass diejenigen, die achtsamer sind und sich selbst als wirksam erleben, weniger gestresst sind. Und anders herum. Die Forschenden konnten zeigen, dass das Erwartung der eigenen Selbstwirksamkeit und die Achtsamkeit mit dafür verantwortlich waren, dass das Stresslevel sank. Am Ende kommen sie zu dem Schluss, dass Menschen, die unter hohem Stress stehen von Programmen profitieren können, die die Achtsamkeit und die empfundene Selbstwirksamkeit fördern.

Eine zweite Studie zu dem Thema wurde 2020 von amerikanischen Wissenschaftler:innen veröffentlicht. Sie haben sich der Frage gewidmet, wie die Resilienz das Wohlbefinden der 141 Teilnehmer:innen beeinflusst. Dabei haben sie besonderes Augenmerk auf die Rolle von Selbstwirksamkeit und von selbst gesetzten Zielen gelegt. Die Ergebnisse zeigen, dass eine höhere Selbstwirksamkeit mit mehr Resilienz und selbst gesetzten Zielen einhergeht.

2. Authentischer Optimismus

Auch ein authentisch-optimistischer Blick auf das Leben, hat sich als Schutzfaktor erwiesen. Hier geht es nicht darum, Negatives verdrängen und sich das Leben mit toxischer Positivität schön zu reden. Es ist eher gemeint, dass wir den Blick für Positives öffnen anstatt uns Horrorszenarien ausmalen.

Eine Studie von 2019 hat untersucht, welche verschiedenen Strategien im Umgang mit Emotionen effektiv sind und welche am meisten angewendet werden. Dafür haben 174 Menschen über einen bestimmten Zeitraum täglich Tagebuch über Stresssituationen und ihren Umgang damit geführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Strategie, Erfahrungen neu zu bewerten besonders effektiv war. Unter anderem, weil sie positive, emotionale Erlebnisse - wie Energie, Konzentration und freudiges Engagement - gestärkt hat. Bei der Neubewertung geht es darum, neugierig zu erforschen, ob es auch eine Möglichkeit gibt, die Situation anders zu bewerten. Die Strategie beruht auf der Annahme, dass an der Entstehung von psychischen Beschwerden vor allem Annahmen beteiligt sind, die so vielleicht gar nicht zutreffen. Durch die Neubewertung einer Situation können wir das erkennen und entsprechend anders reagieren. Auch die Achtsamkeit funktioniert teilweise über Neubewertung: es wird geübt, Situationen wahrzunehmen und so anzunehmen, wie sie sind, ohne sie automatisch zu bewerten.

3. Selbstregulation

Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist im Umgang mit Stress wesentlich. Dabei geht es vor allem darum, Strategien im Umgang mit Emotionen zu lernen und zu wissen, wie wir bei Stress reagieren können, um wieder in Balance zu kommen.

In einer Studie mit 400 Teilnehmenden, die zu Achtsamkeit und Stress befragt wurden, sind für die niedrigeren Stresslevel besonders zwei Aspekte hervorgestochen: wir erleben weniger Stress, wenn wir nicht immer direkt auf alles reagieren. In der Achtsamkeitsforschung wird das 'non-reactivity' genannt - damit geht einher, dass wir eine Situation erst mal erfassen und beobachten, bevor wir darauf reagieren. Zum Anderen scheint uns das achtsame Handeln vor Stress zu schützen - in der Forschung auch 'acting with awareness' genannt.

4. Eigenverantwortlich Probleme lösen

Es kann sehr entlastend sein, Probleme aktiv anzugehen und zu lösen. Unsere Kursteilnehmer:innen lernen deshalb, was es mit Lösungsorientierung auf sich hat und warum es sich positiv auf die Resilienz auswirken kann, sich eher die Lösung als das Problem zu konzentrieren. Manchmal fällt es uns schwer, Verantwortung für uns selbst und das eigene Leben zu übernehmen. Wenn wir üben, Herausforderungen aktiv anzugehen und uns um unser Wohlergehen zu kümmern, kann das auch die Widerstandskraft im Fall einer Stresssituation stärken.

In einer Studie von 2021 wird diesbezüglich von "proaktivem oder aktivem Coping" gesprochen. Coping beschreibt den Umgang mit belastenden Situationen. Gehen wir proaktiv mit Herausforderungen um und übernehmen Verantwortung für die Lösungsfindung, scheint sich das positiv auf die Resilienz auszuwirken.

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5. Stabile soziale Netzwerke

Wenn wir vor Herausforderungen stehen, kann es schon mal passieren, dass wir uns dabei allein fühlen. Dann kann es helfen, in sozialen Netzwerken und Gemeinschaften mit anderen verbunden zu sein. Dabei geht es um all unsere sozialen Kontakte, die wir so haben: Freundschaften, Familie, aber auch Kolleg:innen und die Einbindung in unsere Nachbarschaft. Hier spielen unsere sozialen Kompetenzen wie Kommunikation, Empathie und die Fähigkeit, andere Perspektiven zu übernehmen wichtige Rollen.

Auch in einer der grundlegenden Studien zum Thema Resilienz, der sogenannten Kauai Studie, wurde das soziale Miteinander als Schutzfaktor identifiziert. Die Studie ist insofern besonders, als dass sie über lange Zeit Angaben aller 698 Kinder, die 1955 auf der kleinen Insel geboren wurden, gesammelt hat. Zu allen Zeitpunkten wurden eventuelle Risiko- oder Schutzfaktoren berücksichtigt und nach 40 Jahren schienen sich trotz Risiken die Menschen am gesündesten entwickelt zu haben, die gut mit Familienmitgliedern, Freund:innen und Lehrkräften auskamen, emotionale Bindungen mit Vertrauenspersonen eingegangen sind und Unterstützung von Außen, also zum Beispiel aus Jugendgruppen, Religionsgemeinschaften oder der Schule erfahren haben. Stabile Beziehungen mit Unterstützung sind also auf keinen Fall zu unterschätzen bei der Resilienz!

6. Ein Blick in die Zukunft

Und dann ist da noch die Zukunftsplanung. Wer Ideen hat, wie die eigene Zukunft aussehen könnte und Pläne schmiedet, scheint resilienter zu sein.

In einer indonesischen Studie von 2021 wurde der Spieß umgedreht: die Forschenden haben geprüft, wie sich Zukunftssorgen auf Resilienz auswirken - heraus kam, dass Zukunftsangst und Resilienz negativ zusammenhängen. Das heißt: eine hohe Resilienz geht mit wenig Zukunftsängsten einher und andersherum.

Einer Studie aus dem Jahr 2019 hat sich der Frage gewidmet, wie sich Stress in der Familie auf die mentale Gesundheit auswirkt und ob es etwas gibt, das vor den Auswirkungen schützen kann. Die Analyse der Forscher:innen hat ergeben, dass hier vor allem die Schutzfaktoren Selbstwertgefühl und Zukunftsorientierung Wirkung zeigen.

7. Ein Training für nachhaltige Veränderungen

Vielleicht hast du schon bei dir selbst beobachtet, dass es oft leichter gesagt, als getan ist, nachhaltige Veränderungen im Leben umzusetzen. Deshalb begleitet unser Kurs die Teilnehmer:innen auch dabei, einen individuellen Trainingsplan zu entwickeln, der dabei unterstützt, am Ball zu bleiben. Dabei geht es nicht darum, sich selbst zu etwas zu zwingen und starr ein bestimmtes Vorhaben zu verfolgen. Stattdessen stehen Autonomie und Achtsamkeit stehen im Fokus. Denn laut einer spanischen Studie von 2021 geht eine höhere Achtsamkeit mit einem höheren Sinn-Erleben und dem Engagement für Aktivitäten einher. Wenden wir uns bewusst der subjektiven Erfahrung dem eigenen Verhalten zu, kann uns das dabei helfen ungesunde und wenig nützliche Verhaltensweisen loszulassen und neue Mechanismen der Selbstregulation zu entdecken, die uns dabei helfen, nachhaltige Veränderungen ohne Druck zu verfolgen.

Es gibt noch eine Fähigkeit, die sich wie ein roter Faden durch den ganzen Kurs zieht und in jedem einzelnen der sieben Punkte eine Rolle spielen kann: die Fähigkeit, achtsam zu sein. Sie ist das Fundament dafür, dass du dich selbst beobachten und reflektieren kannst: Achtsamkeit unterstützt dich dabei, Stressoren zu erkennen, dir ein aktuelles Bild von deiner Resilienz zu machen, dich an dein Resilienztraining zu erinnern und zu erkennen, welche Übungen dir wann besonders guttun.

Dass Resilienz nicht von jetzt auf gleich entsteht, zeigt auch eine chinesische Studie von 2018: eine Gruppe von Pflegenden aus einem Krankenhaus hat dafür an einem Achtsamkeitskurs teilgenommen. Zum Vergleich gab es eine zweite Gruppe, die den Kurs nicht belegt hat. Vor dem Kurs, direkt danach und 3 Monate später wurden alle Teilnehmenden befragt. Zu Beginn gab es zwischen den beiden Gruppen keinen Unterschied in der Resilienz. Direkt danach gab es einen kleinen Unterschied, die Resilienz der Kursteilnehmenden war etwas angestiegen, allerdings war das Ergebnis nicht sofort statistisch signifikant. 3 Monate nach dem Kursende beantworteten die Teilnehmer:innen die Fragebögen erneut: jetzt gab es einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Das deutet darauf hin, dass sich Achtsamkeitstrainings vor allem langfristig auf die Resilienz auswirken: 3 Monate nach dem Kurs sind die Teilnehmenden signifikant resilienter als vor dem Training und signifikant resilienter als die Kontrollgruppe, die nicht teilgenommen hat.

Wenn wir Achtsamkeit im Umgang mit Stress nutzen, kommen wir kaum darum herum, auch Jon Kabat-Zinn zu erwähnen. Er ist Molekularbiologe und hat mit seinem Team das am meisten untersuchte Achtsamkeitsprogramm entwickelt. Von ihm stammt ein Satz, der aus meiner Sicht perfekt zur bewussten Förderung der eigenen Resilienz passt:

You can’t stop the waves, but you can learn to surf.


Die Podcastfolge zum Artikel:


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