„Sitze gefälligst korrekt!“ Paul Kohtes über Zen & Glück

Zen ist Nichts – und das ist das Faszinierende. Zen-Lehrer Paul Kohtes über die Widersprüche des Zen und wie er den wahren Zauber der stillen Meditation fand.

Paul J. Kohtes

Ich bin in einem traditionellen Zen*-Kloster in Kamakura, nicht weit von Tokio entfernt, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe deutscher Zen-Sucher. Der Abt persönlich erweist uns die Ehre eines Empfangs, und um uns eine Unterweisung zu geben. Dazu sitzen wir vor ihm im Fersensitz, ohne Kissen, ohne Stuhl direkt auf einem Tatami-Boden. Das ist nicht sehr komfortabel, aber es geht für eine Weile. Der Abt spricht auf Englisch, mehr oder weniger gut verständlich – vor allem spricht er sehr ausführlich. Nach 30 Minuten kann ich den Fersensitz kaum noch ertragen. Die Beine und Füße schmerzen teuflisch. Vorsichtig rutsche ich mit dem Becken zur Seite, um mich ein wenig auf dem Boden zu erholen. Da ich gleich rechts vom Abt sitze, denke ich, er bemerkt das nicht. Doch er wendet sofort den Kopf zu mir und knurrt mich an: „Sit in Seisa!“ Das heißt, ich solle mich gefälligst sofort wieder in den Fersensitz begeben. Wie ein ertappter Schuljunge gehorche ich, und fühle mich nicht besonders gut dabei – nicht nur wegen der teuflischen Schmerzen.

Das ist also das weltberühmte Zen?, so dachte ich, als endlich diese Tortur zu Ende war. Inzwischen, nach über 30 Jahren Zen-Erfahrung, weiß ich, das jedenfalls ist nicht Zen. Sondern es ist eine sehr spezielle japanische Entwicklung davon. Aber was ist Zen denn dann? Wenn ich dir erklären sollte, wie eine Rose duftet, obwohl du das noch nie erfahren hast, dann wird das sehr, sehr schwer sein. Und beim Zen wird das noch komplizierter, denn Zen ist vor allem eins, nämlich Nichts. Es ist nicht eine Technik, es ist nicht eine Religion, es ist nicht Kunst – es ist wirklich nichts. Und genau darin liegt, nach meiner Erfahrung jedenfalls, die Faszination.

Bestimmt hast du eine Idee, wie sich Glück anfühlt. Das ist ja ebenfalls schwer zu beschreiben. Aber es gibt Eigenschaften die wir alle der Erfahrung von Glücklich-Sein zuschreiben. So ist in Glücksmomenten die Zeit einfach weg, keine Vergangenheit keine Zukunft, nur Gegenwart. Und Glück ist auch immer verbunden mit dem schönen Gefühl, dass alles so in Ordnung ist, dass es heil ist. Zen und Glück sind ziemlich enge Verwandte. In beiden ist nämlich die Erfahrung einer außerordentlichen Freiheit – frei sein von Ängsten, Zwängen, Aggressionen. Anders als beim Glück gibt es im Zen eine Methode, einen direkten Weg in diese Erfahrung einer absoluten Freiheit. Diese Methode ist die Meditation. Im Zen heißt sie Zazen, was ganz einfach Sitz-Meditation bedeutet. Meine eigenen Erfahrungen mit der Sitz-Meditation des Zen in japanischen Zen-Klöstern waren ja, wie oben beispielhaft geschildert, nicht gerade ermutigend. Trotzdem praktiziere ich Zazen sehr regelmäßig und jetzt schon fast ein halbes Leben lang. Warum? Mir ist es nach langem innerem Ringen gelungen, das Zen vor allem von den Zwängen solcher puristischen Tradition zu befreien. Nur dadurch war es mir schließlich möglich, den wahren Zauber dieser stillen Meditation zu erkennen.

Aber kann man daraus einen Online-Kurs für Zen machen? Nun, ich habe es einfach ausprobiert. Zu meiner eigenen Überraschung ist das sogar leichter gelungen, als ich befürchtet habe. Für 7Mind habe ich sieben Einheiten Zen-Meditation entwickelt, die jetzt gerade online gegangen sind. Vielleicht probierst du das einmal aus, wie das für dich ist, und erfährst dabei die sehr inspirierende Widersprüchlichkeit, die im Zen steckt.

Es ist schließlich kein Zufall, dass es im Zen zahllose skurrile Geschichten gibt über das „Unmögliche“. Diese sogenannten Koan-Geschichten helfen, in der Meditation nicht so streng mit sich selbst zu sein. Das ist die eine Seite der Zen-Erfahrung. Die andere ist die, dass es um eine wirklich persönliche, existenzielle Erfahrung geht, die alles was wir für sicher gehalten haben, infrage stellt. Und um dieses Schwingen geht es: das ganz persönliche Schwingen zwischen dem „Let it Go“ und dem „Do it Now“. Wenn man es so sieht, ist Zen dann doch eine Kunst. Deshalb schließe ich meinen Beitrag mit Zen-Poesie, nämlich mit einer dieser berühmten Koan-Geschichten:

„Als die Nonne Chyonno unter Buko von Engaku Zen übte, war sie lange Zeit unfähig, die Früchte ihrer Meditation zu ernten. Schließlich, in einer Mondnacht, holte sie Wasser in einem alten Eimer, der mit Bambusstricken zusammengebunden war. Der Bambus riss - und der Boden fiel aus dem Eimer. In diesem Augenblick wurde Chyonno befreit.

Zu Erinnerung daran schrieb sie dieses Gedicht:

Auf manche Weise versuchte ich, Den alten Eimer zu bewahren. Der Bambusstrick war längst zerschlissen, Nahe am Reißen. Bis zuletzt der Boden herausfiel. Kein Wasser mehr im Eimer, Kein Mond mehr im Wasser.

Wenn du zu unserem Zen-online Kurs Fragen oder Anmerkungen hast, schreibe mir bitte eine E-Mail an (email: [email protected] text: [email protected]).

*Zen sprich: Sen

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Bild: Cottonbro auf pexels.

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