Grenzenlose Freiheit? Was es mit Klarträumen auf sich hat

Wolltest du auch schon immer mal deinen Traum steuern? Im Klartraum ist alles möglich. Erfahre, was es mit dem mysteriösen Schlaf-Phänomen auf sich hat.

Klarträumen – Was ist das eigentlich?

Was würdest du tun, wenn es keine Grenzen gäbe, wenn du dir deine Welt für eine Zeit aussuchen könntest? Ein mal um die Erde fliegen? Der Chefin die Meinung geigen? Oder doch lieber Gedanken lesen können? "Ich mach mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt!" Das sagte schon Pippi Langstrumpf und einige Menschen gehen genau diesem Leitspruch nach – zumindest in der Nacht. Hier ist nicht von absoluter Anarchie die Rede, sondern von Klarträumen oder auch luzidem Träumen – aus dem lateinischen "lux", was so viel wie Licht bedeutet.

In einem Klartraum bist du dir bewusst darüber, das du träumst. Anstatt aber aufzuwachen, bleibst du im Traum, kannst bewusst Entscheidungen treffen und den Traum nach deiner Fa­çon verändern. Klingt ziemlich spannend, oder? In diesem Artikel gehen wir dem Phänomen genauer auf die Spur. Was passiert in unserem Kopf, wenn wir unsere Träume beeinflussen? Und können wir bei uns selbst einen solchen Traum hervorrufen?

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Klarträumen: Was passiert im Gehirn?

Ein luzider Traum ist so etwas wie eine Schnittstelle zwischen Traum und Realität. Umso spannender, was in diesem Zustand zwischen Bewusstsein und Schlaf in unserem Körper passiert.

Werfen wir dafür erst Mal einen Blick auf unser Gehirn im Wachzustand. Dabei kann man zwischen der phänomenalen Wahrnehmungswelt und der physischen Umwelt unterscheiden. Erstes beschreibt, wie wir aus sinnlicher Sicht, also aus der Perspektive unseres Körpers heraus, die Umwelt wahrnehmen: Du spürst, wie du auf einem Stuhl sitzt. Die physische Umwelt hingegen ist das, was unser Kopf aus diversen Sinneseindrücken verarbeitet, also der Raum, den du siehst, wenn du dich gerade umguckst. Klingt erst mal nach ein und der selben Sache? Das liegt daran, dass die zwei Wahrnehmungen für uns fast immer übereinstimmen. Außer eben im Traum. Denn dort bildet sich die physische Umwelt aus unseren Traumbildern, während wir sensorisch immer noch im Bett liegen und schlafen. Der Unterschied im Klartraum ist also, dass wir uns dieser Diskrepanz bewusst sind. Unser Traum-Ich ist sich unseres Schlaf-Ichs sozusagen bewusst.

So wie wir im Wachzustand durch motorische Bewegungen in die physische Welt eingreifen können, können wir im Klartraum Veränderungen in unserer inneren, phänomenalen Welt vornehmen.

Aber nun zurück zum Gehirn. Wie kommt es hier zu einem Klartraum? (link: https://academic.oup.com/sleep/article/35/7/1017/2558845 text: Das Max Planck Institut für Psychiatrie und Kognitions- und Neurowissenschaften wies gemeinsam mit der Berliner Charité 2012 während eines luziden Traums die Aktivierung von verschiedenen Bereichen im Gehirn nach.) Im Gegensatz zum normalen Traum ist während eines Klartraums die Aktivität im rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex, in frontopolaren Regionen und dem Precuneus erhöht: alles Hirnareale, die in Zusammenhang mit Selbsteinschätzung, Selbstwahrnehmung und der Bewertung der eigenen Gedanken und Gefühle stehen. Was Sinn ergibt – immerhin ist genau diese Reflexionsfähigkeit das, was einen Klartraum ausmacht.

Auch wenn luzide Träume in verschiedenen Schlafphasen auftreten, lassen sich Klarträume am besten im REM-Zustand (Rapid Eye Movement – die Phase, in der die meisten Träume auftreten) messen. In dieser Phase ist die gesamte Muskulatur des Schlafenden komplett entspannt – abgesehen von den Augen. Durch diese kann er den Forschenden signalisieren, dass er einen Klartraum erlebt.

Klarträumen lernen – geht das?

Die Fähigkeit, einen Klartraum zu erleben hat jeder Mensch, vermutet die Wissenschaft. Eine Schritt für Schritt Anleitung, die auf Anhieb funktioniert, gibt es trotzdem nicht. Dafür wurden Erkenntnisse über Klarträumer und Techniken, die helfen, einen Klartraum auszulösen, herausgefunden.

Was Klarträumer ausmacht

So wurde in einer Studie vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim mit fast 2500 Personen ein Experiment zu Charakterzügen von Klarträumern gemacht. Heraus kamen Tendenzen, wie Offenheit für Neues, Kreativität und Schwäche für emotionale und mentale Manipulation, die Klarträumer teilweise zeigten. Allerdings reichten diese Ergebnisse nicht aus, um bestimmte Persönlichkeitszüge dafür verantwortlich zu machen, welche Menschen eher luzide träumen.

Eindeutig hingegen ist, dass Kinder viel häufiger Klarträume erleben: Jedes zweite Kind zwischen sechs und 14 Jahren träumt gelegentlich luzide. Mit dem Älterwerden treten die Träume immer seltener auf. Vermutlich, da das Gehirn in der Kindheit noch ausreift.

Die effektivsten Methoden

Nichtsdestotrotz können auch Erwachsene mit ein paar Techniken dem Klarträumen näher kommen. Nach dem Psychologen Martin Dresler hilft es schon, sich bewusst mit seinen Träumen auseinander zu setzen – zum Beispiel durch das Führen eines Traumtagebuchs.

Aber auch das regelmäßige Visualisieren von luziden Träumen kann unterstützen. Sprich: Du rufst dir vor dem geistigen Auge hervor, dass du klarträumst – Wie fühlt es sich an? Genauso morgens aufzustehen und sich nach einer Stunde noch mal hinzulegen. Und durch sogenannte Realitätschecks, die man immer wieder im Alltag vornimmt, kann man sich angewöhnen, auch im Traum einen Test zu machen um irgendwann zu realisieren, dass man träumt. Das kann das Kneifen in den Arm sein – denn das würde man im Traum nicht spüren.

Achtsamkeit hilft beim Klarträumen

Nicht nur das Bewusstsein über den Traum, sondern auch die Fähigkeit, den Traum zu steuern, macht die Erfahrung aus. In einer Studie kam heraus, dass bei zwei Gruppen von Menschen diese Kontrollfähigkeit häufiger auftritt: Diejenigen, die besonders häufig klarträumen und diejenigen, die besonders achtsam sind. Ein Grund dafür könnte sein, dass achtsame Menschen, ihre Aufmerksamkeit besser steuern können und sich diese Fähigkeit auch im Traum zeigt.

In einer anderen Studie stellte man außerdem ein Zusammenhang zwischen Meditation und der Häufigkeit von Klarträumen dar: Menschen, die langfristig meditierten, zeigten eine erhöhte Frequenz von Klarträumen auf.

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Im Schlaf zum Profi werden

Über die Stadt fliegen, die Welt retten, ein Gespräch mit dem Idol – Die Möglichkeiten beim Klarträumen sind wortwörtlich unendlich. Aber ist es neben Spaß und Abenteuer auch möglich, den Traum zum Lernen von Fähigkeiten zu nutzen?

Der Sportwissenschaftler und Traumforscher Daniel Erlacher ließ 2005 in einem Experiment Klarträumer im Traum Sportübungen machen. Währenddessen erhöhte sich tatsächlich ihre Atemfrequenz, also hatte der Traum nicht nur psychische, sondern auch physische Auswirkungen.

Aber bedeutet dieses Ergebnis, dass wir einen motorischen Lerneffekt erzeugen können? In einem weiteren Experiment im Jahr 2015 sollten Probanden eine bestimmte Tastenabfolge lernen. Ein Viertel der Gruppe übte diese im Wachzustand, ein anderer Teil visualisierte das Üben gedanklich, die dritte Gruppe übte im Klartraum und daneben gab es eine Kontrollgruppe, die nichts tat. Das Ergebnis war sehr positiv: Das Üben im Traum verbesserte die Fähigkeiten genauso wie das Üben im Wachzustand. Aber: Die Stichprobe des Experimentes war sehr klein, weswegen dieses Experiment nicht allzu repräsentativ ist.

In einer weiteren Studie ließ Erlacher die Probanden das Münz-Werfen trainieren. Hier übte ein Drittel nicht, ein Drittel im Traum und die letzte Gruppe stand nachts auf, um zu trainieren. Hier war das Ergebnis etwas neutraler: Diejenigen, die im Klartraum übten, zeigten zwar größeren Fortschritt als die Kontrollgruppe, jedoch weniger als die Gruppe, die im Wachzustand trainierte.

Was wir aus diesen Erkenntnissen ziehen können? Unser Kopf ist verrückter und zu mehr fähig, als wir dachten. Wir können unsere Träume zur Realität machen – zumindest für eine kurze Zeit. Was allerdings nicht heißt, dass wir das tun sollten. Zwar sind bisher keine Risiken bekannt, aber wir sollten luzides Träumen behutsam und mit Respekt angehen. Denn so richtig wissen auch Psychologen nicht, was in unserer Psyche passiert, wenn wir in unsere Träume eingreifen. Und irgendwo ist es doch auch schön, wenn wir zumindest nachts ganz loslassen können und aufhören, alles kontrollieren zu wollen. ****Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:

Bild: Dallas Reedy auf Unsplash

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