von Luzie Seidel

(Quarter) Life Crisis: Was will ich eigentlich?

Die eine Hälfte des Freund:innenkreises bekommt Kinder und investiert in ETFs, während die andere Hälfte das dritte Studium anfängt, um die Welt reist oder in einer heftigen Trennung steckt. Dazwischen finden wir uns selbst und fragen uns: was will ich eigentlich und wo stehe ich?

Es ist das unzufriedene Gefühl, was sich in uns breit macht, einfach nicht zu wissen, was wir mit uns anfangen sollen: Die kreisenden Gedanken um unsere Zukunft und die Rastlosigkeit, die uns immer mal wieder weg von uns selbst treibt. Viele von uns haben mindestens einmal im Leben eine Phase, in der wir uns orientierungslos fühlen und uns fragen: Wie finde ich mich (wieder)? Die sogenannte Quarter-Life-Crisis ist das jüngere Geschwisterchen der bekannten Midlife-Crisis und beschreibt eine Sinnkrise, die in der Regel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auftreten kann. Woher wissen wir aber, dass wir in einer Quarter-Life-Crisis stecken? Wie können wir uns achtsam uns selbst annähern und uns (wieder)finden?

Wie erkenne ich, ob ich in einer Quarter Life Crisis stecke?

Das Leben stellt uns manchmal vor herausfordernde Erlebnisse, die so normal wie vielschichtig sind und genau deshalb so viele Menschen betreffen. Zunächst einmal ist eine Quarter Life Crisis nämlich etwas recht verbreitetes. Eine Studie von smart insights (deutschlandweit, 2020) zeigt beispielsweise, dass 47% aller Befragten zwischen 20 und 30 Jahren eine derartige Krise durchlebt haben (1). Wir sind damit also nicht allein, auch wenn das Erleben solch einer Krise sich oftmals sehr einsam und isolierend anfühlt.

Einschneidende Veränderungen in unserem Leben, wie beispielsweise der Schul-, Studien- oder Ausbildungsabschluss, eine Trennung, Kündigung, Krankheit oder die Rückkehr von einer längeren Reise können uns ins Chaos stürzen und uns in die Reflexion zwingen. Anstehende Entscheidungen oder eine schier unendliche Auswahl an Optionen, die unsere Lebensplanung betreffen, können ebenfalls Auslöser für eine Quarter Life Crisis sein. Das kann die Familienplanung, Wohnort, Karriere oder etwas ganz anders sein (2).

Wir sehen vor uns ein Meer aus Ungewissheit und spüren vielleicht (Zukunfts-)Angst und Unsicherheit in uns aufkeimen. Frust, Unzufriedenheit, Überforderung mit dieser großen Frage und finanzielle Sorgen halten uns nachts wach und können eventuell sogar zu schwerwiegenderen Folgen wie Depressionen führen (2). Wenn du merkst, dass es dir zu viel wird, dann wende dich an ein:en professionelle:n Therapeut:in. Wir haben ein paar Hilfsangebote für dich am Ende des Artikels zusammengestellt.

Veränderung muss sich allerdings nicht nur schlimm anfühlen, sondern kann auch Katalysator für einen Wandel sein, bei dem wir gar nicht so stark im Außen suchen müssen, sondern vielmehr (zurück) zu uns selbst finden können. Alles, was wir dafür brauchen, tragen wir meistens schon ganz nah bei und in uns.

Achtsam (zurück) zu dir selbst: 10 Impulse, die dich in der Krise unterstützen

Wonach wir uns in Zeiten der Orientierungslosigkeit sehnen, ist Struktur, Hoffnung und das Gefühl, endlich wieder zu wissen, wohin es für uns geht. Die folgenden 10 Tipps unterstützen dich, den Weg zu dir selbst und damit aus der Krise zu finden.

1. Akzeptiere die Situation

Akzeptiere, dass deine Krise eine temporäre Phase ist, so nimmst du dir auch den Druck raus. Denn diese Phase, wie auch andere schwierige Dinge, durch die du bereits gegangen bist, ziehen vorüber.

2. Sei nicht zu streng mit dir

Ganz vielen Menschen geht es genauso wie dir! Das kann Verbundenheit schaffen und dir das Gefühl geben, dass du gar nicht so einsam bist, wie du dich eventuell fühlst. Versuche dich nicht für deine Emotionen zu verurteilen, sondern nimm sie an und frage dich, warum sie da sind und was sie dir sagen möchten.

3. Vergleiche dich nicht so viel

Oft verfallen wir - gerade in Phasen, wo es uns nicht so gut geht - dem Vergleich. Wenn du dich mit anderen misst, zeigst du dir oftmals selbst deine vermeintlichen Schwächen oder Defizite auf, obwohl du gar nicht wirklich weisst, wie das Leben der anderen Person wirklich aussieht. Versuche bei dir zu bleiben und konzentrier dich auf deine Bedürfnisse. Was brauchst du jetzt grade? Was tut dir gut und erdet dich?

4. Vertraue dich anderen an

Teile deine Sorgen mit dir vertrauten Personen. Vielleicht hilft es dir, mit einer Tasse Kaffee und einer:einem enge:n Freund:in über deine Ängste zu sprechen oder einen Schnack mit deinen Großeltern zu haben. Dich anderen zu öffnen, kann dir helfen eine andere Perspektive auf deine Sorgen zu bekommen und dir zeigen, dass dich andere unterstützen und dich auffangen, dort wo du gerade stehst. Vielleicht hilft es dir auch, Familie und Freund:innen zu fragen, wie sie dich sehen und was sie an dir schätzen.

5. Hör auf die innere Stimme

Wenn du ganz genau hinhorchst: Was sagt dir deine innere Stimme? Welche Bedürfnisse und Wünsche hast du? Wo liegen deine Stärken und Interessen? Hier kann dir auch Meditation eine Unterstützung sein. Bewusst in die Ruhe zu gehen, hilft uns einen ehrlichen Zugang zu uns selbst zu finden, der manchmal durch Ängste und Sorgen verdeckt wird. Lass dir Zeit und trau dich Schritt für Schritt ein bisschen näher an dich heran.

6. Gehe zurück in deine Kindheit

Gehe einmal gedanklich zurück in deine Kindheit. Woher kommen deine Einstellungen und Wahrnehmungen? Wie auch das Zählen und Sprechen, nehmen wir in unseren prägenden Jahren bestimmte Werte und Einstellungen mit, die uns bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Kannst du herausfinden, welche das bei dir sind und wie du sie realistisch an dein Hier und Jetzt anpassen kannst?

7. Probier mal was Neues aus

Was hat dich schon immer gereizt und ein freudiges Kribbeln in dir ausgelöst? Spür deiner Intuition mal nach und schau, was sie dir sagt. Vielleicht haben dich die Gewürze und Kochtechniken der koreanische Küche schon immer begeistert oder du möchtest anfangen zu schreiben, so wie es dein 10-jähriges Ich sich immer gewünscht hat. Gib dich der Neugierde hin und lass dich überraschen.

8. Gönn dir Entspannung

Oft vergessen wir, dass Entspannung wichtig für unsere Selbstfürsorge und Resilienz ist. Versuche dich so gut fallen zu lassen und in die Situation hinein zu entspannen, wie es dir möglich ist. Tue mehr von den Dingen, die aktiv zu deinem Wohlbefinden beitragen, sei es Sport, gutes Essen oder Treffen mit Freund:innen. So kannst du deine Batterien wieder aufladen und deinem Kopf eine Pause gönnen.

9. Versuche einen Perspektivwechsel

Dabei können dir, wie oben bereits erwähnt, deine Liebsten helfen. Du kannst aber natürlich auch selber in die Reflexion gehen und aktiv aus deiner jetzigen Perspektive austreten. Gibt es andere Blickwinkel, von denen du deine Situation betrachten könntest?

10. Hol dir psychologische Unterstützung

Wenn du das Gefühl hast, die Krise, in der du steckst hält zu lange an, oder belastet dich zu stark, hol dir professionelle Unterstützung von einem:einer Therapeut:in. Vielleicht hast du die Möglichkeit auch durch ein professionelles Coaching herauszufinden, was deine Wünsche oder Ziele werden können.

Dass wir uns manchmal verirren, hinterfragen und suchen, macht uns menschlich und verbindet uns. Wenn wir also diese herausfordernde Phase annehmen und die Krise als Chance begreifen, anstatt sie als Feind zu betrachtet, können wir uns neu kennenlernen, ja vielleicht sogar neu erfinden.

Hilfsangebote

TelefonSeelsorge - Telefonisch (0800-1110111 sowie 0800-1110222) oder per Email, Chat und vor Ort

Krisenchat - Online

Quellen

1. https://www.marktforschung.de/marktforschung/a/quarterlife-crisis-fast-die-haelfte-der-jungen-erwachsenen-sind-betroffen/

2. https://www.oberbergkliniken.de/artikel/hilfe-bei-einer-quarterlife-crisis

3. https://www.marktforschung.de/marktforschung/a/quarterlife-crisis-fast-die-haelfte-der-jungen-erwachsenen-sind-betroffen/