Persönliche Werte erkennen: Wonach lebst du?

Treue, Ehrlichkeit, Freiheit - Werte bestimmen, wonach wir uns richten. Erfahre, was sich hinter dem Begriff versteckt, wie du deine Werte definierst und sie in deinem Leben verankerst.

Von Sarah Schömbs

Persönliche Werte finden

Persönliche Werte. Spätestens bei deinem letzten Friseurbesuch bist du höchstwahrscheinlich beim Aufschlagen eines der vielen Hochglanzmagazine auf den Begriff “Werte” gestoßen. Inklusive des Versprechens, nach nur einem Test endlich zu wissen, was du wirklich willst und welche Werte dir WIRKLICH wichtig sind. Es folgen eine Reihe von kuriosen, rein hypothetischen Fragen, auf die du dann mit A, B, C oder D antworten sollst. Eine Seite weiter folgt die Lösung - die Antwort aller Rätsel: Du bist Typ D, herzlichen Glückwunsch! Dir ist besonders Liebe sehr, sehr wichtig...

Nun gut, ganz so dramatisch ist es vielleicht nicht. Es stellt sich trotzdem die Frage, was es mit den mysteriösen Werten auf sich hat, wie du sie findest und wie sie dein Leben beeinflussen. Schließlich ist der Anfang eines neuen Jahres immer auch ein kleiner Neubeginn. Grund genug, deine Werte zu überdenken und dich gegebenenfalls 2020 neu auszurichten. Wir möchten mit diesem Artikel versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und dich für das Thema “Werte” zu sensibilisieren. Erfahre, wie du deine persönliche Werte findest, definierst und wieso sich auch Werte im Laufe der Zeit verändern können und dürfen. Sich seiner persönlichen Werte bewusst zu werden, kann einen erheblichen Unterschied machen - in Beziehungen und auch für den beruflichen Erfolg.

Werte vs. Normen - Was ist der Unterschied?

First things first. Worum geht es hier eigentlich? Schließlich ist die Abgrenzung von Normen, Charaktereigenschaften, Werten und Motiven gar nicht so leicht und vor allem für uns AlltagspsychologInnen kaum zu durchdringen. Also, los geht’s: Werte begegnen uns meist in der Mathematik oder praxisnah - beim Einkaufen. Spätestens aber an der Kasse, wenn der nette Kassierer den Wert 9,99 Euro haben möchte. Doch darum geht es hier nicht - oder zumindest nicht so richtig.

Wenn es darum geht, ein nach persönlichen Werten ausgerichtetes Leben zu führen, dann bedienen wir uns häufig den ethischen oder sozialen Normen. Normen beschreiben bestimmte Verhaltenserwartungen und werden häufig mit unausgesprochenen Regeln, Vorschriften oder moralischen Prinzipien assoziiert. Sie bilden dein Überzeugungssystem und steuern somit dein Verhalten. Normen existieren, damit ein Zusammenleben möglich ist. Sie steigern das Verständnis füreinander und reduzieren Unsicherheiten. Normen organisieren sowohl kleine Gruppen als auch einen ganzen Staat. Normen beschreiben, wie etwas „norm-alerweise“ vonstatten geht und richtig oder gesellschaftlich anerkannt ist. Sie sind somit eine Orientierungshilfe im Alltag.

Werte sind im Prinzip nichts anderes, als das Ziel hinter den Normen. Persönliche Werte existieren unabhängig von konkreten Situationen, haben aber Einfluss auf dein ganzes Verhalten. Sie sind allgemeine Wegweiser für unser Verhalten. Während eine Norm beispielsweise besagt, dass du beim Essen nicht schmatzt, beim Betreten eines Raumes nett grüßt oder in der Öffentlichkeit nicht in der Nase popelst, umfassen deine Werte eher weite Begriffe wie Höflichkeit oder Freundlichkeit, die dann durch Normen ausgedrückt werden. Immer noch unklar? Dann schau dir gleich noch einmal das Youtube-Video von David Johann Lensing an, der mit seinem Youtube-Kanal eine witzige und spannende Einführung in das Thema Philosophie gibt. Dort erklärt er dir noch einmal ganz genau, was der Unterschied zwischen Normen und Werten ist.

Persönliche Werte definieren

Genug mit den Begrifflichkeiten. Das musst du über deine Werte wissen: Umgangssprachlich sind Werte schlichtweg deine Überzeugung. Da wir uns hier nicht in einem Klassenzimmer der Philosophie oder Psychologie befinden, bleiben wir bei dem, was du für deine persönliche Weiterentwicklung wissen musst. Deine persönlichen Werte sind das, was du für dich als „gut“ erachtest. Das können beispielsweise Ehrlichkeit und Treue sein, aber auch Werte wie „Zeit für mich“ oder Großzügigkeit. Diese Überzeugungen bestimmen dein Verhalten. Nach ihnen bewertest du Situationen. Ob dir das bewusst ist, oder nicht. Es kann sich also durchaus lohnen, dir deine “unbewussten” Werte vor Augen zu führen. Nach ihnen handelst du. Sie sind nichts anderes als deine Motivation, aus der heraus du dich verhältst, besondere Fähigkeiten entwickelst oder bestimmte Beziehungen eingehst.

Und genau darum geht es in diesem Artikel. Deine Werte bestimmen die Rahmenbedingungen deines Lebens. Sie sind wie ein innerer Kompass, der dich durch die verzweigten Wege des Lebens führt. Deine Werte sind also ganz einfach Entscheidungshilfen und unterstützen dich darin, deine Vorstellung vom Leben zu leben.

Zwei praktische Beispiele: Eine Kollegin erzählt dir auf der Arbeit den Klatsch und Tratsch aus der letzten Woche. Aus ihren Erzählungen wird ganz klar deutlich, dass es darum geht, sich über einen anderen Kollegen lustig zu machen. Du hast nun zwei Entscheidungsmöglichkeiten.

  1. Du steigst voll mit ein, möchtest jedes Detail der Geschichte hören, lachst hinter vorgehaltener Hand und kannst es kaum abwarten, die Geschichte deinem Mann zu erzählen.

  2. Du wirst dir deiner Werte bewusst. Du hast zuvor definiert, das Toleranz und Freundlichkeit zu deinen Werten gehören. Du entscheidest dich für deine Werte und gegen den Büroklatsch. Du weist deine Kollegin freundlich darauf hin, dass du nicht Teil der Geschichte sein möchtest und trittst bewusst aus der Situation heraus.

Es ist 17:30 und du begibst dich nach deinem wohlverdienten Feierabend auf den Weg zum Supermarkt, um die Wocheneinkäufe zu erledigen. Dein Tag war stressig und deine Lust, dich von Regal zu Regal zu hangeln und Waschmittel zu kaufen, hält sich in Grenzen. An der Kasse erwartet dich dann eine lange Schlange von genervten Menschen mit Bergen von Einkäufen.

Während du deine Einkäufe entspannt auf das Fließband legst, bekommt der nette Mann hinter dir einen cholerischen Anfall und beschwert sich über die Geschwindigkeit, mit der du deinen Einkaufswagen ausräumst. Du hast nun zwei Möglichkeiten, auf die Situation zu reagieren:

  1. Du schimpfst zurück und suchst provokativ langsam nach deinem Portemonnaie. Daraufhin heizt sich die Stimmung noch weiter auf und ihr startet eine wütende Diskussion, die mit hochroten Köpfen und genervten Blicken endet.

  2. Du lässt dich nicht auf das Aggressionslevel ein und wirst dir deiner Werte bewusst. Du reagierst mit Freundlichkeit auf die wütenden Sätze deines Hintermanns und versetzt dich in seine Lage. Vielleicht hat er heute einen besonders schlechten Tag erfahren. Du merkst schnell, wie sich durch freundliche Erwiderungen die Situation legt.

Das Beispiel lässt sich auf viele alltägliche Situationen übertragen. Dabei muss es sich nicht immer um Tratsch handeln. Auch die Berufswahl, die Art und Weise zu kommunizieren oder die Serien-Auswahl auf Netflix kann wesentlich durch deine Werte entschieden und verändert werden.

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Werte definieren Übung

Wie funktioniert das nun, dieses “Werte finden”? Vielleicht hast du intuitiv schon eine Idee, welche Begriffe in dir resonieren. Wörter wie Liebe oder Ehrlichkeit beispielsweise. Nichtsdestotrotz lohnt es sich, hier einmal genau hinzusehen und dich auch mit ungewöhnlicheren oder abstrakteren Begriffen und deren Bedeutung auseinanderzusetzen. Unsere KollegInnen von “Ein guter Plan” stellen in ihrem Blogbeitrag “Deine Werte” eine tolle und einfache Möglichkeit vor, deine Werte zu definieren. Filtere aus einem Meer von Begriffen wie Neugierde, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Nähe, Wohlstand, Spiritualität und Balance heraus, was für dich deine Top 3 Werte sind. Schau’s dir an und probier’s aus.

Wenn du deine Werte, insbesondere im beruflichen Kontext, herausfindenmöchtest, dann kann folgende Übung hilfreich sein:

Schnappe dir Zettel und Stift und notiere in einer Liste untereinander geschrieben alle Tätigkeiten, die du in deinem beruflichen Kontext ausführst. Das können Kundengespräche sein, das Pflegen von älteren Menschen, das Erstellen von Texten oder das Kalkulieren von Budgets. Gehe dabei ruhig ins Detail. Das ist zusätzlich eine schöne Übung, um dir deiner Aufgaben und Verantwortungsbereiche bewusst zu werden. Eine gute Gelegenheit, dir auf die Schultern zu klopfen.

Zurück zur Liste. Zeichne einen kleinen Pfeil → von links nach rechts neben jede Tätigkeit.

Frage dich im Anschluss der Reihe nach: Was ist der Nutzen hinter dieser Aufgabe? Was stelle ich damit sicher? Beispiele können hier “richtige Budgetierung”, “Veröffentlichung eines wöchentlichen Artikels” oder “Zufriedenheit der Kunden” sein.

Ziehe einen weiteren Pfeil und frage dich erneut: Was ist das höhere Ziel hinter dieser Aufgabe? Gibt es ein überhaupt ein höheres Ziel? Was wird eventuell damit erreicht - in einem größeren Kontext? Beispiele können hier “Freundlichkeit”, “gesunde PatientInnen/gesunde Menschen” oder “nachhaltiges und ressourcenschonenden Wirtschaften” sein.

Schaue dir nun die Begriffe an. Vielleicht hast du bereits automatisch gespürt, was dir sehr wichtig war und wann du intuitiv eher eine ablehnende Haltung eingenommen hast. Unterstreiche nun die Begriffe, die für dich wichtig und sinnvoll sind. Welcher Wert, ist für dich persönlich wichtig?

Schaue dir nun deine Liste an. Was sind die drei Begriffe, die für dich besonders hervorstechen? So eine kleine Übung kann bereits helfen, dir zum einen über deine Werte bewusst zu werden. Außerdem zeigt sie dir, inwieweit dein aktueller Beruf mit dem übereinstimmt, was du persönlich verfolgst oder als richtig und gut empfindest.

Wir haben die Übung leicht abgewandelt. Die Originalübung stammt aus dem Buch “Positive Psychologie: Ein Handbuch für die Praxis” von Dr. Daniela Blickhan.

Wertewandel und persönliche Weiterentwicklung

Werte können sich verändern, denn das Leben ist ständig im Wandel. Dessen wirst du dir bewusst, wenn du den heutigen Tag von vor einem Jahr versucht zu rekonstruieren. Was hast du heute vor einem Jahr getan? Wie sah dein Leben vor einem Jahr aus? Welchem Beruf bist du nachgegangen? Welche Themen waren präsent? Welche Personen in deinem Leben? Veränderung ist deine stetige Begleiterin im Leben. Folglich können sich auch Werte verändern. Es ist wichtig, dass du dir dessen bewusst wirst. Die Werte, die vor 5 Jahren dein leben, dein Verhalten und deine Entscheidungen beeinflusst haben, müssen heute nicht mehr aktuell sein. Und das ist auch gut so. Schließlich sind veränderte Werte nichts anderes, als ein Zeichen der persönlichen Weiterentwicklung.

Ziele erreichen durch persönliche Werte

Persönliche Werte können dir dabei helfen, Ziele leichter zu identifizieren und schneller zu verfolgen. Ein solches Ziel könnte zum Beispiel eine funktionierende Partnerschaft sein, die auf Liebe, Ehrlichkeit, Vertrauen, Treue und Achtsamkeit basiert. Um dieses „Ziel“ zu erreichen, musst du selbst erst einmal nach deinen Wertvorstellungen leben. Wie soll deine Beziehung auf Vertrauen und Ehrlichkeit basieren, wenn du selbst jede Notlüge nutzt, die sich dir bietet oder kein Vertrauen in deine eigenen Fähigkeiten hast? Fange bei dir selbst an! Meditation kann diese Art der Selbstreflektion fördern und dich dabei unterstützen, nach deinen Werten zu leben.

Wie du an diesem Artikel erkennen kannst, klopfen deine Werte nicht einfach an deiner Tür oder sind mit einem Schnipsen mir nichts dir nichts in dein Leben integriert. Es bedarf viel Reflexion und Ehrlichkeit mit sich selbst, um persönliche Werte zu identifizieren und letztlich auch Mut, um nach ihnen zu leben. Doch es lohnt sich!

Die Podcastfolge zum Impuls der Woche:


Bild: von Gabrielle Henderson via Unsplash

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